Der Sachverhalt: Eine Kursteilnehmerin wurde mit sofortiger Wirkung durch Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG) als Berufsbetreuerin bestellt. Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit, also die Übergabe an die Geschäftsstelle, war am 22. April, doch die Teilnehmerin erhielt den Erlass per Post erst einen Tag später, am 23. April. Mit dem Betreuten machte sie noch am gleichen Tag telefonisch einen Besuchstermin für ein Erstgespräch am 28. April aus, doch das Konto des Betreuten wurde bereits am Tag des Telefonats von Dritten leergeräumt.
Die betreute Person verschwieg, dass Dritte weitere EC-Karten und somit Zugriffsmöglichkeiten auf das Konto des Betreuten hatten. Obwohl die Berufsbetreuerin bereits einen Tag nach dem Erstgespräch, am 29. April, bei der Bank alle Konten sperren, bereits erteilte Vollmachten rückgängig sowie weitere Bankkarten als ungültig erklären ließ, musste sie feststellen, dass ein größerer Geldbetrag abgehoben worden war, und zwar bereits am 23. April!
Die Berufsbetreuerin konnte nicht früher reagieren, da ihr Betreuter mit ihr aus Zeitgründen kein früheres Treffen vereinbart hatte. Daher war es ihr auch nicht möglich, vorsorglich die Konten bzw. mögliche vorhandene Bankkarten sperren lassen. Laut Auskunft der Bank war die Überziehung nicht rückgängig zu machen, da diese bar ausgezahlt wurde. Auch weigern sich die Personen, das Geld zurückzugegeben.
Die Frage der Kursteilnehmerin lautet: Wer haftet in diesem Fall für den dem Betreuten entstandenen Schaden?
So antwortet unser Experte und Fernlehrer Reinhold Spanl
Sie sind am 22. April wirksam als rechtliche Betreuerin bestellt worden. Das Datum und die Uhrzeit auf dem Beschluss zählen (§ 287 Abs. Satz 2 Nr. 2 FamFG). Allerdings haben Sie erst am 23. April Kenntnis erlangt.
Der für den 28. April vereinbarte Termin mit dem Betreuten ist in einem pflichtgemäßen zeitlichen Rahmen erfolgt. Das Verschweigen der erteilten Bankkarten an dritte Personen kann Ihnen nicht angelastet werden, das Aufsuchen der Bank und die Ermittlung der Konten ist zeitlich angemessen erfolgt. Überziehungen der Konten durch vom Betreuten bevollmächtigte und beauftragte Dritte konnten Sie letztlich nicht verhindern.
Eine Haftung käme nur gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Es müsste ein Schaden entstanden sein, hervorgerufen durch ein erfolgtes Handeln oder Unterlassen, das sie zu vertreten haben. Dieses Handeln bzw. Unterlassen müsste pflichtwidrig und schuldhaft erfolgt sein. Ich kann aus Ihren Angaben keine Pflichtwidrigkeit erkennen, auch haben Sie weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt, da Sie zeitlich ordnungsgemäß vorgegangen sind.
Sollten die Dritten zu Lasten des Betreuten und zu dessen Schaden Verfügungen über die Konten vorgenommen haben, müssten diese im Rahmen von §§ 662 ff BGB Rückzahlungen bzw. Schadensersatz leisten, wenn sie weisungswidrig gehandelt haben. Ihr Betreuter kann als Auftraggeber bzw. Vollmachtgeber Auskunft und Rechenschaft nach § 666 BGB verlangen. Fraglich ist, ob Sie dies mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ als Vertreter tun können. Die h.M. geht davon aus, dass Ihnen die Vertretungsmacht nur zusteht, wenn Sie den Aufgabenkreis des § 1896 Abs. 3 BGB haben (Wahrnehmung der Rechte des Vollmachtgebers aus der Vollmacht und dem zugrundeliegenden Auftragsverhältnis). Es wäre zu überlegen, ob Sie eine entsprechende Erweiterung beim Betreuungsgericht anregen.
Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, vom 28.07.2015, Az. XII ZB 674/14) können Sie eine vom Betreuten (früher) erteilte Vollmacht nur dann widerrufen, wenn Ihnen diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist. Im Leitsatz der Entscheidung wird zwar eine Vorsorgevollmacht angesprochen; liest man die Begründung, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass dies auch für Kontovollmachten gilt. Lesen Sie bitte insbesondere die Ziffer III der Begründung.
Fazit: Regen Sie die Erweiterung der Betreuung auf den Aufgabenkreis „Wahrnehmung der Rechte des Vollmachtgebers (Betreuten) aus Vollmachten und den zugrundeliegenden Auftragsverhältnissen“ an und lassen Sie sich von den Bevollmächtigten Auskünfte und Abrechnungen über die entnommenen Summen geben. Weigern sich diese oder sind zu einer Behebung der Mängel nicht bereit, regen Sie die Erweiterung auf „Widerruf der dem…… erteilten Vollmacht“ an und widerrufen dann Vollmacht und Auftragsverhältnis. Außerdem müssten Sie die Bevollmächtigten auf Rückgabe der entnommenen Beträge oder auf Schadensersatz verklagen.
Reinhold Spanl, Hochschullehrer a.D., vormals Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern, Fachbereich Rechtspflege; außerdem Referent zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen im Erbrechts-, Vormundschafts- und Betreuungsbereich sowie Fachbuchautor.
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