Die Bedeutung des Betreuervorschlages

Der Wille des Betroffenen hat Vorrang

Um eine bestimmte Person als Betreuer nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzuschlagen, ist weder die Geschäftsfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein rechtlicher Betreuer werden.

Auch die Motivation des Betroffenen hinsichtlich seines Betreuervorschlags ist ohne Bedeutung für die Frage, ob dieser Vorschlag zu beachten ist, oder nicht. Denn etwaigem Missbrauch wird dadurch begegnet, dass letztlich auf das Wohl des Betroffenen abzustellen ist.

Der Fall: Für den im Jahre 1927 geborenen Betroffenen besteht seit Mitte 2014 eine Betreuung u. a. mit den Aufgabenkreisen der Vermögens-, Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung. Mit Beschluss vom 2. März 2016 wurde der Sohn des Betroffenen auf eigenen Wunsch als Betreuer entlassen und ein Berufsbetreuer zum neuen Betreuer bestellt.

Der Neffe des Betroffenen suchte zusammen mit diesem am 8. März 2016 einen Notar auf. Der Notar beurkundete – in der Überzeugung der Geschäftsfähigkeit – eine „Betreuungsvollmacht“ mit dem Wunsch des Betroffenen, dass der Neffe zum Betreuer bestellt werden sollte. Ferner wurde in einem weiteren Antrag die Annahme des Neffen als Kind beurkundet.

Das Amtsgericht hat einen Betreuerwechsel aufgrund der notariellen Urkunde abgelehnt. Es hat sogar den Aufgabenkreis der Betreuung um den „Widerruf der notariellen Vorsorgevollmacht vom 08.03.2016“ erweitert.

Nach erfolgloser Beschwerde verfolgt der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) das Ziel, dass sein Neffe anstelle des Berufsbetreuers zum Betreuer bestellt werden soll.

Der Beschluss des BGH vom 19.07.2017, Az. XII ZB 57/17

Der BGH bejahte zunächst die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, obwohl der Betreute keine (Erst-) Beschwerde eingelegt habe. Die Rechtsbeschwerde ist darüber hinaus begründet:

Nachdem der Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde nur noch auf die Betreuerauswahl beschränkt hatte, hatte sich der BGH ausschließlich mit dieser Frage zu befassen.

Der Maßstab der Betreuerauswahl richte sich nach § 1897 BGB, der nicht nur für die Erstentscheidung, sondern auch für die Verlängerung der Betreuung gilt. § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB räumt dem Richter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Danach ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht!

Der Wille des Betroffenen ist nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Letzteres sei möglicherweise gegeben, wenn sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen.

Der Betreuervorschlag erfordere weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Es würde genügen, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden.

Hier hatte der Betroffene bei der Anhörung durch das Amtsgericht auf den Neffen gezeigt, als er gefragt wurde, wer seine Angelegenheiten regeln solle. Ähnlich äußerte er sich, als das Landgericht ihn anhörte mit den Worten „wir wollen den (Neffen) als Betreuer“.

Das Landgericht habe keine Umstände festgestellt, die gegen die Eignung des Neffen als neuer Betreuer sprechen. Auch der Umstand, dass er sich erst seit relativ kurzer Zeit für den Betroffenen interessieren würde, ließe für sich genommen noch nicht die Prognose zu, er würde die Betreuung nicht zum Wohl seines Onkels führen. Es sei nicht erkennbar, dass sein Adoptionswunsch eine konkrete Gefahr für die Betreuungsführung begründen würde.

Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis

Für die Betreuerbestellung – und zwar sowohl die Erstbestellung als auch die Verlängerung der Betreuung – hat der Wille des Betroffenen Vorrang. Wenn dieser nicht seinem Wohl zuwiderläuft – und hierfür müssen Umstände von erheblichem Gewicht vorliegen – ist dem Wunsch zu folgen. Unerheblich ist es, ob der Betroffene geschäftsfähig oder einsichtsfähig ist. Ferner ist zu beachten, dass § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB dem Richter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen einräumt.

01. März 2018 | Kategorie: Corinna Hell, Urteile |