An der Erforderlichkeit einer Betreuung kann es im Einzelfall fehlen, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Berufsbetreuer dadurch handlungsunfähig ist, wodurch eine Unbetreubarkeit vorliegt. Bei der Annahme einer solchen Unbetreubarkeit ist allerdings Zurückhaltung geboten. Wenn der Betroffene eine Betreuung wünscht, das Gericht jedoch diese wegen Unbetreubarkeit des Betroffenen aufhebt, so muss das Gericht notfalls einen Betreuerwechsel vornehmen.
Der Fall: Für den 1990 geborenen Betroffenen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 22. März 2016 eine Berufsbetreuerin für umfassende Aufgabenkreise, u. a. Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Versicherungen und Renten- sowie Sozialleistungsträgern angeordnet. Es gab jedoch Schwierigkeiten in der Betreuungsführung zwischen dem Betroffenen, seiner Mutter und der Berufsbetreuerin.
Schließlich hob das Amtsgericht die Betreuung auf, da der Betroffene nicht „betreuungsfähig“ sei. Nachdem das Landgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen zurückwies, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Der Beschluss des BGH vom 27.09.2017, Az. XII ZB 330/17
Die Rechtsbeschwerde sei nur für den Bereich der Wohnungsangelegenheiten unbegründet. Im Übrigen hob der BGH den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an das Landgericht zurück. Eine Betreuung müsse für den angeordneten Aufgabenkreis erforderlich sein. Ob ein Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Es genügt, dass ein Bedarf in einem Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann. Trotz bestehenden Handlungsbedarfs sei die Betreuung aber nicht erforderlich, wenn sie nicht zu einer Änderung der Situation des Betroffenen führt.
So kann eine Betreuung nach § 1908d BGB aufgehoben werden, wenn sich herausstellt, dass der mit der Betreuerbestellung erstrebte Erfolg nicht zu erreichen ist. Dies könne angenommen werden, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch handlungsunfähig ist. Dieser Fall der Unbetreubarkeit müsse allerdings mit gebotener Zurückhaltung geprüft werden.
So kann die fehlende Bereitschaft des Betroffenen, mit dem Betreuer zusammenzuarbeiten, eben gerade Ausdruck seiner Erkrankung sein. In solchen Fällen sei die Betreuung nur aufzuheben, wenn ihre Aufrechterhaltung unverhältnismäßig scheine. Wenn aber objektiv ein Betreuungsbedarf besteht, komme es bei fehlender Kooperationsbereitschaft des Betroffenen darauf an, ob durch die Betreuung eine Verbesserung der Situation des Betroffenen erreicht werden kann. Wichtig ist, ob der Betreuer durch rechtliche Entscheidungen positiven Einfluss auf den Betroffenen ausüben kann.
Aufgabe des Betreuungsgerichts ist es, gerade bei schwierigen Betroffenenpersönlichkeiten durch den Betreuungsbeschluss geeignete Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Betreuung zu schaffen. So müsse das Betreuungsgericht für diese Betroffenen einen Betreuer stellen, der den Herausforderungen mit Sachkunde und Erfahrung begegnen kann. Gegebenenfalls sei ein Betreuerwechsel nötig.
Im vorliegenden Fall habe das Landgericht zwar zu Recht keine Erforderlichkeit der Betreuung für Wohnungsangelegenheiten gesehen, jedoch gerade für die Vermögenssorge den Handlungsbedarf fehlerhaft verneint. Der BGH geht im Folgenden auf die Notwendigkeit der Vermögenssorge wegen der Einkommenssituation des Betroffenen ein.
Ferner hält der BGH dem Landgericht vor, dass eine Unbetreubarkeit nicht gegeben sei. Das Landgericht hätte den Verfahrensstoff noch mehr aufklären müssen und habe deshalb gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG verstoßen.
So hatte das Amtsgericht bei der Prüfung der Aufhebung der Betreuung eine andere Berufsbetreuerin um Stellungnahme gebeten, ob sie zur Übernahme der Betreuung bereit sei. Diese Berufsbetreuerin konnte ohne Probleme mit dem Betroffenen sprechen. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht trotz der Kontaktaufnahme der anderen Betreuerin die Sinnhaftigkeit eines Betreuerwechsels verneint. Da das Landgericht zu Unrecht die Betreuung aufgehoben hat, verwies der BGH zur weiteren Sachaufklärung den Fall zurück und hob den Beschluss des Landgerichts auf.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis
Auch bei schwierig verlaufenden Betreuungen sind Sie als Berufsbetreuer gefordert, einen Weg zu finden, um den Betroffenen zu helfen. Eine Unbetreubarkeit – auch wenn der Betroffene jeden Kontakt mit dem Betreuer verweigert – ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen.