Erforderlichkeit der Betreuung

Wenn eine Betreuung zu keiner Verbesserung beim Betroffenen führt

Der Fall: Die 1969 geborene Betroffene, die an einer schizophrenen Erkrankung leidet, hatte im Oktober 2004 eine Patientenverfügung erstellt.Sie hatte u. a. erklärt, dass bei fehlender Aussicht auf Besserung ihrer Erkrankung keine lebenserhaltenden Maßnahmen oder künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr erfolgen sollten.

Wegen ihrer Krankheit – die in akuten Phasen u. a. dazu führte, dass sie nicht mehr in der Lage war, Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen, war die Betroffene mehrfach über mehrere Monate im Krankenhaus.

Anlässlich des letzten Krankenhausaufenthalts im März 2017 hatte das Betreuungsgericht eine vorläufige Betreuerin für die Aufenthaltsbestimmung, einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen, Behördenangelegenheiten, Gesundheitssorge und Sozialversicherungsangelegenheiten bestellt.

Nach weiteren Ermittlungen wurde sodann in der Hauptsache mit Beschluss vom 12.09.2017 die Betreuung angeordnet, jedoch ohne Behörden- und Sozialversicherungsangelegenheiten.

Die Betroffene legte erfolglos beim Landgericht Beschwerde ein mit dem Ziel, die Betreuung vollständig aufzuheben, im Anschluss daran Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH).

Der Beschluss des BGH vom 09.05.2018, Az. XII ZB 625/17

Der BGH verwies auf den Grundsatz der Erforderlichkeit nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zunächst müsse die Tatsacheninstanz unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit prüfen, ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen (als die Betreuung) in Betracht kämen. Es müsse nicht nur eine Unfähigkeit des Betroffenen zur Regelung seiner Angelegenheiten festzustellen sein, sondern auch ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers.

Es genüge allerdings, wenn der Handlungsbedarf in den betreffenden Aufgabenkreisen jederzeit auftreten kann.

So kann beispielsweise eine Betreuung nicht nötig sein, wenn sie zu keiner Verbesserung zugunsten des Betroffenen führt, etwa, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch handlungsunfähig ist.

Eine solche „Unbetreubarkeit“ kann zur Folge haben, dass die Betreuung nicht einzurichten ist.

Die Begründung der Rechtsbeschwerde, die auf die Patientenverfügung und die Behandlungsverweigerung durch die Betroffene verwiesen hatte, blieb allerdings erfolglos.

Wenn eine akute Krankheitsphase eintritt, die zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts führt, ist die Verweigerung einer vorbeugenden medikamentösen Behandlung unerheblich.

Auch die Patientenverfügung steht der Zwangsbehandlung nicht entgegen, weil sie nur Krankheitsverläufe erfasst, die nicht im Sinne einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation behandelbar sind. Hierum geht es jedoch bei der psychischen Erkrankung der Betroffenen nicht. Insoweit könne die Betreuerin positiv durch rechtliche Entscheidungen auf die Lage der Betroffenen einwirken.

Die Beschwerde hatte jedoch Erfolg bezüglich des Umfangs der angeordneten Aufgaben-kreise: Die Aufenthaltsbestimmung sei nur im Zusammenhang mit der Gesundheitssorge notwendig. Andere Entscheidungen, z. B. zum Wohnort im Sinne einer Aufenthaltsbestimmung, seien vom Tatrichter nicht festgestellt worden.

Aus diesem Grunde musste der Aufgabenkreis wie folgt eingeschränkt werden: Es war die Aufenthaltsbestimmung einschließlich für die Entscheidung über die Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen im Bereich der Gesundheitssorge anzuordnen.

Die Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis

Wenn Sie die Erweiterung eines Aufgabenkreises beantragen, prüfen Sie zuvor nach den erörterten Grundsätzen die Erforderlichkeit. Letztlich ist die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, denn die Betreuung darf nicht mehr regeln als nötig.

02. März 2019 | Kategorie: Corinna Hell, Urteile |