Betreuer darf Löschung eines Wohnrechts bewilligen

Löschung des ungenutzten Wohnungsrechts muss keine Schenkung sein

Paragraph Urteil DEin 77 Jahre alter Betreuter ist an Demenz erkrankt und lebt seit 2010 auf eigenen Wunsch in einem Pflegeheim. Eine Rückkehr in seine frühere Wohnung steht nach den Angaben des Betreuers nicht zu erwarten und werde von ihm auch nicht angestrebt.

Für die frühere Wohnung ist zugunsten des Betreuten ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht im Grundbuch eingetragen. Dieses hatte ihm die Wohnungseigentümerin, seine frühere Lebensgefährtin, bedingt für den Fall ihres Vorversterbens und mit der Maßgabe bestellt, dass das Wohnungsrecht nicht einem Dritten zur Ausübung überlassen werden dürfe und dass der Berechtigte Hausgelder und die anfallenden Nebenkosten insgesamt zu tragen habe. Im September 2008 verstarb die frühere Lebensgefährtin; sie wurde testamentarisch von ihren Enkeln beerbt.

Der Betreuer hat beantragt, ihm die Bewilligung der Löschung des eingetragenen Wohnungsrechts gerichtlich zu genehmigen, da der Betreute durch die laufenden Hausgelder und Nebenkosten, für die er aufzukommen habe, belastet sei, ohne noch irgendeinen Nutzen aus dem Wohnungsrecht ziehen zu können. Er könne das Wohnungsrecht nicht mehr selbst ausüben und es auch nicht anderweitig verwerten, da es ihm nicht gestattet sei, es einem Dritten zur Ausübung zu überlassen. Eine Kapitalabfindung für den Verzicht auf das Wohnungsrecht hätten die derzeitigen Eigentümer abgelehnt.

Das Betreuungsgericht hat den Antrag des Betreuers abgelehnt; das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Betreuten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuten zum Bundesgerichtshof…

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat am 25. Januar 2012 unter dem Aktenzeichen XII ZB 479/11 (veröffentlicht u.a. in FamRZ 2012, 967 und NJW 2012, Seite 1956) entschieden. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

  1. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die beabsichtigte Löschungsbewilligung ein nach §§ 1908 i Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB genehmigungsbedürftiges Geschäft ist. Der mit der Löschung bezweckte Verzicht auf das Wohnungsrecht ohne jegliche Gegenleistung stellt der Sache nach eine Schenkung dar. Diese ist nur genehmigungsfähig, wenn sie unter Berücksichtigung der materiellen und immateriellen Belange letztlich im Interesse des Betreuten liegt. Das ist hier nicht der Fall, denn es ist eine Abfindung des Wohnungsrechts durch die Eigentümer unterhalb des nach der Lebenserwartung berechneten Restmietwerts denkbar.
  2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand:
  • Gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedarf der Betreuer zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück einer Genehmigung des Betreuungsgerichts. Bei dem im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrecht des Betreuten handelt es sich um eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB), somit um ein Recht an einem Grundstück, über das der Betreuer nur mit gerichtlicher Zustimmung verfügen kann. Außerdem folgt die Genehmigungsbedürftigkeit aus einer entsprechenden Anwendung des § 1907 Abs. 1 BGB, da die Aufgabe des Wohnungsrechts eine endgültige Wohnungsauflösung bedeutet und deshalb nach dem Schutzzweck des § 1907 BGB der Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum gleichsteht. Da es sich bei der beabsichtigten Löschungsbewilligung um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, ist über die gerichtliche Genehmigung vorab zu entscheiden (§ 1831 BGB).
  • Maßstab für die gerichtliche Entscheidung über die Genehmigung ist das Interesse des Betreuten. Das Gericht hat dabei eine Gesamtabwägung aller Vor- und Nachteile sowie der Risiken des zu prüfenden Geschäfts für den Betreuten vorzunehmen (vgl. OLG Hamm in RPfleger 2004, Seite 214, 216; Staudinger/Engler BGB [2004] § 1828 Rn. 16; MünchKommBGB/Wagenitz 5. Aufl. § 1828 Rn. 17).Die Abwägung aller für die Entscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann – ähnlich einer Ermessensentscheidung – vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf hin überprüft werden, ob der Tatrichter die gesetzlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten oder einen unsachgemäßen, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch von seiner Entscheidungsbefugnis gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2011 – XII ZB 79/11 – juris Rn. 21; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 72 Rn. 8 mwN). Letzteres ist hier allerdings der Fall.
  • Die Genehmigung richtet sich nach dem sonstigen Interesse des Betreuten unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 1901 Abs. 3 BGB). Hat der Betreute den Willen gefasst, endgültig nicht mehr in die frühere Wohnung zurückzukehren, bedarf es einer Aufrechterhaltung des Wohnungsrechts für diesen Zweck nicht mehr.
    Eine anderweitige Nutzung des Wohnungsrechts durch den Betreuten, insbesondere im Wege der Vermietung, ist ausgeschlossen. Das dingliche Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB). Deshalb darf Dritten, wenn sie nicht zu den in § 1093 Abs. 2 BGB genannten Personen gehören, die Allein- oder Mitbenutzung der Wohnung nur bei Gestattung durch den Eigentümer überlassen werden (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für eine solche Gestattung bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten (BGH Urteil vom 19. Januar 2007 – V ZR 163/06 – FamRZ 2007, 632, 634 m.w.N.). Eine solche ist nicht abgeschlossen. Vielmehr hat die frühere Lebensgefährtin dem Betreuten lediglich ein Wohnungsrecht zugewendet, das er nur persönlich ausüben darf. Dieses folgt bereits aus der in die Bewilligungserklärung vom 09. Januar 2007 aufgenommenen Bestimmung, wonach die Überlassung des Wohnungsrechts zur Ausübung an einen Dritten ausdrücklich ausgeschlossen ist.
  • Das Landgericht hat seine Entscheidung schließlich darauf gestützt, dass dem Wohnungsrecht des Betreuten ein Vermögenswert beizumessen ist, den der Betreuer nicht schenkweise, ohne eine angemessene Abfindung, weggeben dürfe. Diese Einschätzung beruht jedoch auf einem unzutreffenden Schenkungsbegriff. Gemäß §§ 1908 i Abs. 2 Satz 1, 1804 BGB darf der Betreuer nicht in Vertretung des Betreuten Schenkungen machen. Der Zweck dieser Vorschrift liegt in dem Schutz des Vermögens des Betreuten, aus dem nichts zu seinem Nachteil unentgeltlich weggegeben werden soll. Nach diesem Schutzzweck kann auch der Erlass einer Forderung unter den Schenkungsbegriff des § 1804 BGB fallen (OLG Stuttgart FamRZ 1969, 39, 40), ebenso der Verzicht auf ein im Grundbuch eingetragenes Recht. Voraussetzung ist jedoch, dass die Rechtsposition, die der Betreuer weggibt, einen realen Vermögenswert des Betreuten darstellt. Eine Rechtsposition, die keinen Vermögenswert darstellt, und deren Weggabe dem Betreuten keinen Nachteil zufügt, untersteht nicht dem Schutz des § 1804 BGB. Das vom Betreuten innegehaltene Wohnungsrecht stellt einen aktiven Vermögenswert insoweit dar, als es ihm persönlich die Wohnnutzung ermöglicht. Daher läge in dem Verzicht auf das Wohnungsrecht eine dem § 1804 BGB unterfallende Vermögenszuwendung, solange eine Wiederaufnahme der Wohnnutzung durch den Betreuten in Betracht kommt. Da jedoch das Interesse an der Wohnnutzung endgültig nicht mehr besteht, verliert das Wohnungsrecht seinen Nutzwert und – da es auch durch Vermietung nicht fruchtbar gemacht werden kann – seinen Vermögenswert insgesamt. Der Verzicht auf ein wertlos gewordenes Wohnungsrecht erfüllte nicht den Begriff der Schenkung im Sinne des § 1804 BGB. Die Rechtsposition, die der Betreute dann noch innehat, entfaltet lediglich eine Sperrwirkung. Sie hat zur Folge, dass die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume nach dem Umzug des Betreuten in ein Pflegeheim von niemandem genutzt werden kann. Der Betreute ist aus tatsächlichen Gründen gehindert, sein Recht wahrzunehmen; die Erben wären angesichts des fortbestehenden Wohnungsrechts nicht befugt, die Räume ohne Zustimmung des Betreuten selbst zu nutzen oder Dritten zu überlassen.
  • Hier steht dem verbliebenen Vorteil, die Wohnnutzung im Bedarfsfalle wiederaufnehmen zu können, eine laufende Kostenbelastung durch Hausgeld und Nebenkosten gegenüber. Je unwahrscheinlicher eine Rückkehr in die frühere Wohnung ist, desto mehr entspricht die Aufgabe des Wohnungsrechts dem Interesse des Betreuten, um sich der monatlichen Kostenlast zu entledigen. Der Aufklärung dieser für die Genehmigung des Rechtsgeschäfts entscheidenden Frage dient die persönliche Anhörung des Betreuten (§ 299 Satz 1, 2 FamFG), welche noch aussteht.

Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis

Aus der Entscheidung ergibt sich für Sie als Betreuer folgendes:

Aufgabe eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts

Die Aufgabe eines zugunsten des Betreuten im Grundbuch eines Dritten eingetragenen Wohnungsrechts nach § 1093 BGB bedarf grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB, da es sich um eine Verfügung über ein Recht des Betreuten an einem Grundstück handelt. Da in der Regel dem Wohnungsrecht ein realer Vermögenswert inne wohnt, kann die Aufgabe des Rechts nur dann zum Wohle des Betreuten erfolgen und gerichtlich genehmigt werden, wenn der Grundstückseigentümer eine entsprechende Geldleistung (einen nach der Lebenserwartung berechneten „Restmietwert“) erbringt.

Die Sachlage kann sich anders darstellen, wenn der Betreute das Wohnungsrecht dauerhaft nicht mehr nutzen kann, eine Nutzung durch Dritte (im Bestellungsvertrag) ausdrücklich ausgeschlossen ist, und der Betreute die anfallenden Lasten weiterhin zu tragen hat. Hat der Betreute in einem solchen Fall keinen tatsächlichen Nutzen, sondern wird vielmehr sein Vermögen durch die Lasten geschmälert, stellt sich für Sie als Betreuer die Frage, ob und zu welchen Bedingungen Sie das Wohnungsrecht aufgeben dürfen, um das Vermögen Ihres Betreuten vor weiteren Nachteilen zu schützen.

Schenkungsverbot des § 1804 BGB

Geben Sie als Betreuer das Recht ohne Gegenleistung auf, ist zu prüfen, ob eine Schenkung zugrunde liegt, zu der Sie wegen § 1908 i Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1804 Satz 1 BGB nicht berechtigt sind. Das dem Schutz des Vermögens des Betreuten bezweckende Schenkungsverbot des § 1804 BGB erfasst auch sonstige Rechte und damit auch ein Wohnungsrecht. Allerdings gilt dies nur für werthaltige Vermögenspositionen. Stellt dieses Recht aber keinen realen Vermögenswert dar, kann es sich bei seiner Aufgabe auch nicht um eine Schenkung i.S.v. § 1804 BGB handeln. Daher kommt es nur noch darauf an, ob die Genehmigung der Löschung im Interesse des Betreuten liegt.

Der Schenkungsbegriff des § 1804 BGB ist grundsätzlich dem des § 516 BGB gleichzusetzen. Schenkung ist hiernach eine unentgeltliche Zuwendung aus einem Vermögen an einen Dritten, wodurch dieser bereichert und eine Minderung der Substanz des Vermögens beim Schenker herbeigeführt wird.

Stellt man auf den Gesetzeszweck des § 1804 BGB ab, so soll verhindert werden, dass durch unentgeltliche Verfügungen des Betreuers das Vermögen des Betreuten gemindert wird. Dies engt den Schenkungsbegriff des § 1804 BGB gegenüber dem des § 516 BGB ein. Eine Verfügung, die sich nach § 516 BGB als Schenkung darstellt, muss demnach nicht zwingend auch eine Schenkung i.S.d. § 1804 BGB sein, wenn sie objektiv zu keinem Vermögensnachteil für den Betreuten führt. Zudem können bei der Beurteilung, ob in der Löschung des Wohnungsrechts ohne Gegenleistung eine regelrechte Schenkung zu sehen ist, wirtschaftliche Aspekte mit einbezogen werden. Nachdem der Betreute das Wohnungsrecht aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr nutzen will und wird und die fortlaufenden Kosten das Vermögen des Betreuten belasten, ohne das der Betreuer die Möglichkeit hat, diese Verluste durch eine entgeltliche Überlassung der Wohnung an Dritte zumindest auszugleichen, hat das Recht für den Betreuten jegliche wirtschaftliche Bedeutung verloren und ist damit wertlos geworden. Gegen die Aufgabe eines objektiv ersichtlich wertlosen Vermögensgegenstandes durch den Betreuer muss der Betreute nicht durch § 1804 Satz 1 BGB geschützt werden.

Sie als Betreuer können den Betreuten bei der Aufhebung des Wohnungsrechts vertreten, müssen allerdings eine betreuungsgerichtliche Genehmigung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB einholen.

23. September 2013 | Kategorie: Urteile |