Um die verschiedenen Klausuren des Fernlehrgangs mit einem guten Ergebnis zu bestehen, sollten Sie auch den nachfolgenden Grundsatz, das Abstraktionsprinzip, aus dem Ratgeber Wie Sie Ihre Einsendeklausuren richtig lösen unbedingt beachten. Mit den Tipps von Rechtsanwältin und Berufsbetreuerin Corinna Hell fällt dies sicher leichter.
Teil 2: Warum Sie das Abstraktionsprinzip kennen und anwenden sollten
Abstrahieren bedeutet, aus dem Besonderen das Allgemeine zu entnehmen bzw. abzuleiten, sagt der Duden. Im juristischen Sinne heißt Abstraktion, dass Sie zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft unterscheiden müssen.
Im Alltag kann es sein, dass die Unterscheidung nicht immer spürbar ist. Wenn Sie einen Fall in der Klausur vor sich liegen haben, müssen Sie jedoch peinlich darauf achten, dass beide – das schuldrechtliche und das dingliche Rechtsgeschäft – in ihrem Bestand und in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig, also abstrakt sind.
Ein Beispiel:
Ihr geschäftsfähiger Betreuter Alfred Kuhn kauft mit seinem Taschengeld einen „Coffee-to-go“ und zahlt 1,00 € an die Verkäuferin Inge Vehring, die ihm den Kaffee übergibt. Zerlegen Sie diesen alltäglichen Vorgang nach dem Abstraktionsprinzip, sieht das Ganze wie folgt aus:
Welchen Sinn hat eine solche Aufteilung?
Wichtig zu berücksichtigen, gerade bei den Einsendeklausuren, ist, dass die Unwirksamkeit des Kaufvertrages bzw. generell des schuldrechtlichen Geschäfts in der Regel keine Bedeutung für das dingliche Rechtsgeschäft hat, das in Erfüllung des für wirksam gehaltenen Verpflichtungsgeschäfts vorgenommen wird. Wenn also der Betreute Kuhn geschäftsunfähig wäre und der Kaufvertrag demnach nichtig nach § 105 Abs. 1 BGB, so würde diese Tatsache grundsätzlich nichts an der Wirksamkeit der Übereignung des Kaffees an Ihren Betreuten ändern. Entscheidend für die Frage, ob Ihr Betreuter Eigentümer des Kaffees geworden ist, ist allein, ob die Voraussetzungen von § 929 Satz 1 BGB erfüllt sind. Auch wenn keine Geschäftsunfähigkeit besteht, aber ein anderer Fehler des Verpflichtungsgeschäfts wie z.B. Formnichtigkeit vorliegt, berührt dieser grundsätzlich nicht das dingliche Rechtsgeschäft.
Achtung: Schreiben Sie nie in einer Klausur, dass das Eigentum an der gekauften Sache durch den Kaufvertrag übergegangen ist, denn dies wäre eine krasse Verletzung des Abstraktionsprinzips. Sie können bei der Fallbearbeitung nur zu einer erfolgreichen Lösung gelangen, wenn Sie die einzelnen Rechtsgeschäfte streng voneinander trennen.