So lösen Sie Einsendeklausuren richtig (Teil 3)

Tips-TricksMehr Erfolg mit Einsendeklausuren

Anhand des Abstraktionsprinzips haben wir Ihnen im letzten Newsletter gezeigt, welche Konsequenzen ein Anspruch z.B. aus § 433 Abs. 2 BGB auf Bezahlung des Kaufpreises hat. Im Beispiel ist es ein Kaffee, den Ihr Betreuter haben möchte, er macht also einen sogenannten Anspruch geltend. Zu wissen, wie sich ein solcher Anspruch rechtlich zusammensetzt, ist gerade für die Betreuungspraxis und vor allem jetzt – für die Bearbeitung Ihrer Einsendeklausuren – äußerst wichtig. Heute daher ein neuer Auszug aus dem  Leitfaden „Wie Sie Ihre Einsendeklausuren richtig lösen“ mit praktischen Tipps von Rechtsanwältin und Berufsbetreuerin Corinna Hell.

Teil 3: Was genau ist ein Anspruch?

Sie finden die Grundlage für diesen Anspruch nicht im Schuldrecht (2. Buch des BGB), sondern im allgemeinen Teil des BGB, also im 1. Buch. Hier finden Sie die

Definition: Als Anspruch im juristischen Sinne bezeichnet man das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1.1. Halbsatz BGB).

  • Ein Tun kann jede erdenkliche Handlung sein, zum Beispiel die Abgabe einer Willenserklärung oder – wie im Beispiel des Kaffees – die Übergabe des Coffee-to-go etc.
  • Ein Unterlassen ist eine Nichthandlung, z.B. eine Beleidigung gegen Ihren Betreuten nicht zu wiederholen.

Müssen Sie in einer Ihrer Einsendeklausuren prüfen, ob in einem konkreten Fall ein Anspruch besteht, dann gehen Sie wie folgt vor:

Orientieren Sie sich zuerst am Gesetz. Sie benötigen eine gesetzliche Bestimmung, die auf der Rechtsfolgenseite genau das gewährt, was der Anspruchsteller will. Dies nennt man auch die Anspruchsgrundlage.

Suchen Sie immer zuerst einen Paragrafen, der auf der Rechtsfolgenseite die benötigte Handlung oder Unterlassung enthält. Nicht jeder Paragraf im BGB gewährt zwar eine solche Anspruchsgrundlage, doch im BGB finden Sie viele, wie zum Beispiel § 433 BGB (Kaufvertrag) und § 611 BGB (Dienstvertrag).

Wann ist ein Anspruch gegeben?

  • Wenn der Anspruch entstanden ist  (es müssen die Voraussetzungen der jeweiligen Bestimmung vorliegen).
  • Wenn keine rechtshindernden Einwendungen gegeben sind.
  • Wenn der Anspruch (noch) nicht erloschen ist.
  • Wenn dem Anspruch keine Einreden, wie z.B. eine Verjährung, entgegengesetzt werden.

Materielles Recht oder Verfahrensrecht?

Ebenfalls wichtig für Ihre Einsendeklausuren ist zu entscheiden, welches Recht Sie anwenden.

Beispiel: Wenn Ihre geschäftsfähige Betreute einer Freundin ein Darlehen in Höhe von 1.000,00 € gewährt hat, so ist es leicht für Sie, die Anspruchsgrundlage für die Rückzahlung des Darlehens zu finden, nämlich § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB. Wenn aber die Freundin Ihrer Betreuten den gewährten Betrag nach Kündigung nicht zurückzahlt, so stehen Sie als Betreuer vor der Frage, ob Sie die Angelegenheit auf sich beruhen lassen oder Klage einreichen. Das geschieht beim Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens durch ein Zivilprozessverfahren, das sich folglich nach der Zivilprozessordnung (ZPO) richtet.

Reichen Sie in o.g. Fall für Ihre Betreute Klage ein, kann es zur Anordnung eines schriftlichen Verfahrens oder aber zu einer mündlichen Verhandlung kommen. Der Prozess kann durch Urteil oder Vergleich enden.

Es gibt weitere Verfahrensordnungen, wie das FamFG für Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Fazit: Wenn Sie also in einer Einsendeklausur gefragt werden, wie ein Betreuer bestellt wird, so ziehen Sie für die Prüfung des Ablaufs des Verfahrens das FamFG heran. Sollten Sie eine zivilrechtliche Klage für Ihren Betreuten einreichen, so richtet sich das Verfahren nach der ZPO.

Diese und weitere Hilfen für die Klausur lesen Sie im Leitfaden von Corinna Hell, den Sie als Teilnehmer hier exklusiv erhalten!

30. August 2014 | Kategorie: Allgemein |