Abweichen vom Betreuervorschlag

Wenn der Wille des Betreuten unberücksichtigt bleibt

Für die 99 -jährige Betroffene hatte das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. April 2017 eine der drei Enkelinnen zur Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheits- und Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Behördenangelegenheiten bestellt.

Nach familiären Streitigkeiten entließ das Amtsgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2017 diese Betreuerin teilweise und beschränkte ihren Aufgabenkreis auf die Gesundheitssorge. Es wurde ein Berufsbetreuer für die übrigen Aufgabenkreise bestellt. Die Enkelin und die Tochter legten gegen beide Entscheidungen Beschwerde zum Landgericht ein.

Das Landgericht entließ den Berufsbetreuer sowie die Enkelin und bestellte nun die Tochter der Betroffenen unter Aufrechterhaltung der bisherigen Aufgabenkreise zur Betreuerin. Dagegen wiederum legte eine andere Enkelin Rechtsbeschwerde ein.

Der Beschluss des BGH vom 09.05.2018, Az. XII ZB 553/17

Der Bundesgerichtshof (BGH) erachtete die Rechtsbeschwerdebefugnis der Enkelin der Betroffenen gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als gegeben an, so dass die Beschwerde zulässig war. Jedoch sei die Rechtsbeschwerde unbegründet.

Es sei zwar möglich, dass die Enkelin ihre Beschwerde nur gegen die Betreuerauswahl gerichtet habe. Dies sei eine zulässige Teilanfechtung, die den Beschwerdegegenstand begrenze. Die vom Landgericht getroffene Entscheidung, die Tochter zur Betreuerin zu bestellen, sei jedoch frei von Rechtsfehlern.

Es ist nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Ein solcher Vorschlag erfordere weder die Geschäftsfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit. Selbst die Motivation des Betroffenen für seinen Betreuervorschlag sei bedeutungslos.

Nur dann dürfe der Betreuer nicht bestellt werden, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft. Es müssten allerdings Gründe von erheblichem Gewicht gegen den Betreuervorschlag sprechen. Ferner müsse die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zum Wohl des Betroffenen führen kann oder will. Die Annahme einer solchen konkreten Gefahr sei eine Prognoseentscheidung.

Soweit es um die Eignung des vorgeschlagenen Betreuers ginge, müssten ebenfalls Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Wohl des Betroffenen auch für die Zukunft und bezogen auf die Aufgabenkreise gefährdet sei. Nach diesen Kriterien habe das Landgericht zutreffend entschieden.

Die Betroffene habe bei ihrer Anhörung mehrfach den Wunsch geäußert, dass ihre Tochter sich um alles kümmern solle. Dies sei ein bindender Vorschlag nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB. Umstände, die gegen die Bestellung der Tochter zur Betreuerin sprechen würden, ergäben sich vorliegend nicht. Selbst wenn die Tochter der Betroffenen und die Enkelin zerstritten sind, würde dies noch nicht zu einer Gefahr führen, dass die Tochter das Betreueramt nicht zum Wohl ihrer Mutter ausüben werde.

Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis

Maßgeblich ist letztlich der Vorschlag des Betroffenen. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person eine konkrete Gefahr mit sich bringt, dass dieser Betreuer nicht zum Wohl des Betreuten tätig wird, kann eine andere Person bestellt werden.

17. November 2018 | Kategorie: Corinna Hell, Urteile |