Berufsbetreuer-Praxis: Weniger Fixierung, mehr Ruhigstellen?

Mögliche Folgen des Werdenfelser Wegs für Heimbewohner

Die Wirksamkeit des Werdenfelser Weges ist noch immer umstritten. Zwar berichten einige Gerichte von einer Abnahme der Anträge zur Genehmigung von freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) nach Einführung des Werdenfelser Weges, allerdings fehlen bislang aussagekräftige Daten.

Definition: Der „Werdenfelser Weg“ entstand ursprünglich als Initiative in Garmisch-Partenkirchen und wird seit 2007 zunehmend von anderen Amtsgerichten aufgegriffen. Sein Ziel ist es, FEM durch den Einsatz von geschulten Verfahrenspfleger(innen) im Genehmigungsverfahren zu vermeiden. Hierzu erstellt der/die Verfahrenspfleger(in) für das Gericht eine fachliche Einschätzung zur Notwendigkeit und zu möglichen FEM-Alternativen. Außerdem steht er oder sie für die Pflegeeinrichtung und Betreuer(in) als Ansprechperson zu Verfügung.

Das zählt alles zu den Freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM)

  • Mechanische Fixierungen, wie das Anlegen von Gurten oder Körperfesseln, Bettgitter usw.
  • Einsperren der Person, wie das Absperren des Zimmers, komplizierte Schließmechanismen an Türen, hoch angebrachte oder komplizierte Türklinken, gesicherte Aufzüge usw.
  • Sedierende Medikamente, wie Schlafmittel und Psychopharmaka
  • Wegnahme von Hilfsmitteln, wie Schuhe, Brille, Rollator usw.

Nicht als freiheitsentziehende Maßnahmen gelten Eingriffe in die Bewegungsfreiheit von geringer Intensität und/oder Dauer. Dazu gehört beispielweise ein einmaliges, kurzfristiges Hochziehen von Bettgittern. Diese Maßnahmen bezeichnet man als freiheitseinschränkende Maßnahmen.

Der Werdenfelser Weg in der Praxis

In den letzten Jahren wurden Tendenzen beobachtet, dass der Werdenfelser Weg zwar zu weniger Fixierungen, dafür zu mehr Ruhigstellung durch Psychopharmaka führt. Da beide Maßnahmen zu den Freiheitsentziehenden Maßnahmen zählen, würde das bedeuten, dass sich an der Anzahl der FEM nichts geändert, sondern nur der Schwerpunkt – weg von mechanischen Fixierungen, hin zu sedierenden Medikamenten – verschoben hat. Doch dem ist nicht so.

Studien, die den Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen in stationären Einrichtungen untersuchten haben gezeigt, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Einrichtungen groß sind (zwischen 5 bis 60 % FEM-Raten). Da sich jedoch in den Einrichtungen die Bewohnerstruktur stark ähnelt, könnte der Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen, egal welcher Art, noch weiter erheblich reduziert werden.

Was kann der Werdenfelser Weg

Eine wichtige Voraussetzung, um FEM möglichst zu vermeiden, besteht im Wissen über alternative Möglichkeiten im Umgang mit typischen Problemsituationen. Da als die häufigsten Gründe für FEM Sturzgefahr und Demenz angegeben werden, gibt es in den Fachmedien bereits umfangreiche Informationen, die von Kräftigungs- und Balancetraining und Neubewertung der Medikation (bei Sturzgefahr) bis zu Verhaltenstherapie und Vermeiden von Konfliktpotenzial (bei Demenz) reichen.

Informieren und auf Landes- und Bundesebene austauschen ist wichtig!

Wie auch immer momentan die Praxis aussieht, der Werdenfelser Weg gilt in Fachkreisen als Schritt in die richtige Richtung, setzt allerdings auf Professionalität und Kommunikation und Austausch. So zeigte die Vergangenheit, dass dank des Werdenfelser Wegs eine bundesweite Vernetzung der beteiligten Berufe stattfindet. Derzeit sind etwa 600 Fachleute aus dem Bereich Justiz, Betreuungsbehörden, Heimaufsicht, Verfahrenspfleger, Pflegefachleute und Rechtsanwälte miteinander vernetzt und tauschen mehrfach wöchentlich Sachinformationen aus – schon allein das ist ein Erfolg!

„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

(Artikel 2 des Grundgesetzes)

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19. November 2017 | Kategorie: Allgemein |