Mehr als 150 Betreuungsprofis aus ganz Deutschland trafen sich am 13. Mai auf dem Berufsbetreuertag 2022 der BeckAkademie Fernkurse, um ihr Wissen aufzufrischen und sich auszutauschen. Renommierte Experten brachten die Teilnehmer an nur einem Tag auf den aktuellen Stand zur Rechts- und Gesetzeslage in der rechtlichen Betreuung. Im Mittelpunkt der Fachkonferenz stand die Betreuungsrechtsreform 2023. Die anstehenden Neuerungen, etwa der geplante Sachkundenachweis, boten jede Menge Diskussionsstoff. Bereichert wurde das Programm durch weitere betreuerrelevante Themenstellungen und ein intensives Networking.
„Betreuungsprofis wie Berufseinsteiger schätzen diese Möglichkeit zum fachlichen Austausch jedes Jahr aufs Neue sehr! Sie nehmen nicht nur die Inhalte der Vorträge mit, sondern auch den Input aus den persönlichen Gesprächen“, betont Stephanie Kreuzhage, Leiterin der BeckAkademie Fernkurse
Bereits zum zweiten Mal fand der Berufsbetreuertag der BeckAkademie Fernkurse im zeitgemäßen Hybrid-Format statt. Rund 50 Prozent der Teilnehmenden kamen ins MACE-Seminarzentrum im Münchener Medienpark Unterföhring, um vor Ort von Vorträgen und Gesprächen mit Experten und Berufsbetreuerkollegen zu profitieren. Die andere Hälfte hatte sich entschieden, bequem von zu Hause oder dem Büro aus teilzunehmen und so den Reiseaufwand zu sparen.
Pünktlich um 9:30 Uhr eröffnete Akademieleiterin Stephanie Kreuzhage den Berufsbetreuertag 2022 und begrüßte herzlich alle Anwesenden vor Ort und vor den Bildschirmen zuhause. Anschließend machte sie die Teilnehmenden mit dem „Tagungsknigge“ und der „Online-Etikette“ vertraut und stellte dann das Moderatoren-Duo vor.
Prof. Dr. jur. Rolf Jox, pädagogischer Studienleiter der BeckAkademie Fernkurse, führte in Präsenz durch die Veranstaltung. Durch gezielte Nachfragen und pointierte Kommentare regte er immer wieder eine interessante Diskussion an. Dr. Georg Everwand begleitete die Online-Teilnehmer, moderierte den Chat und sorgte dafür, dass sich auch die virtuell Anwesenden aktiv einbringen konnten. Auf diese Weise gelang es hervorragend, den besonderen Herausforderungen des Hybridformats gerecht zu werden und allen eine erfolgreiche Teilnahme zu ermöglichen.
Als erster Referent des Tages widmete sich Christopher Tänzel der Frage, woran Berufsbetreuer und Berufsbetreuerinnen scheitern können. Studien zufolge hören 20 bis 30 Prozent der Betreuer nach zwei bis drei Jahren auf. Das ist nicht nur für die Betroffenen persönlich und wirtschaftlich belastend. Es stellt auch die Betreuungsbehörden vor große Herausforderungen. Ursache für die Aufgabe der Betreuertätigkeit ist eine Melange verschiedenster Gründe: von der zu „romantischen Vorstellung des Helfens“ über mangelnde sozialrechtliche Kenntnisse bis hin zu den immer komplexeren Anforderungen einzelner Fälle. In seinem Vortrag ging der Diplom-Sozialarbeiter ausführlich auf die Ursachen, Folgen und Auswirkungen ein und diskutierte Ansätze zur Lösung dieser Problematik.
Nach einer kurzen Kaffeepause ging es dann in einer Podiumsdiskussion „in medias res“ zum Thema Betreuungsrecht 2023 und Sachkundenachweis für Berufsbetreuer. Die geplanten Neuerungen wirken sich gravierend auf die Betreuungspraxis aus. Und obwohl die Reform schon in knapp sechs Monaten in Kraft tritt, gibt es noch immer viele Unklarheiten zur Umsetzung des Gesetzes und der Gestaltung des Sachkundenachweises.
Prof. Dr. jur. Rolf Jox, Dipl.-Verwaltungswirt Achim Rhein von der überörtlichen Betreuungsbehörde Rheinland-Pfalz, Betreuungsrichter Dr. jur. Szymon Mazur und Dipl.-Rechtspflegerin Sarah Seitz-Stocker nahmen ausführlich Stellung zu Reform, Sachkundenachweis, Registrierpflicht und Vergütung. Die Experten vermittelten exklusive Einblicke in den Reformprozess und sprachen Klartext, was an der Verordnung gelungen ist und wo es aus ihrer Sicht noch Verbesserungsbedarf gibt.
Nach Ansicht von Achim Rhein, Mitglied der Expertengruppe zur Erarbeitung der RVO nach §§ 23, 24 BtOG, wird es noch „eine harte Nuss“, die unterschiedlichen Interessen von Bund und Ländern unter einen Hut zu bringen. Prof. Dr. Rolf Jox erläuterte den derzeitigen Stand zu Umfang, Inhalten und Kosten des Sachkundenachweise – und plädierte für eine praxisnahe Gestaltung der Regelungen. Betreuungsrichter Dr. Szymon Mazur wünschte sich zudem kreative Ideen, um das Berufsbild des rechtlichen Betreuers wieder attraktiver zu machen. Sarah Seitz Stocker zeigte, wo die Tücken der neuen Vergütungsregelungen liegen. Die Diplom-Rechtspflegerin schloss sich der Meinung vieler Experten an, dass mit den hohen Anforderungen neuen Bewerbern Steine in den Weg gelegt würden. „Qualität ja, aber wenn wir durch die Reform nur noch die Hälfte an Betreuern haben, leidet auch die Qualität“, so die Vergütungs-Fachfrau.
Diese Thematik bot allen Teilnehmern genügend Diskussionsstoff auch für die sich anschließende gemeinsame Mittagspause.
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Nach der Mittagspause erläuterte Fachanwalt für Familienrecht Martin Weber in seinem Referat „Die Wünsche des Betreuten in der Betreuerpraxis“, was der Willensvorrang in der Vermögenssorge konkret bedeutet – und wie Berufsbetreuer damit souverän im Betreueralltag umgehen können. Dabei beschrieb der Fachanwalt detailliert, was sich mit dem neuen Betreuungsrecht ändert und was gleichbleibt. So wird der Begriff „Wohl des Betreuten“ aufgegeben; zukünftig gelten die Wünsche des Betreuten als Handlungsmaxime. Nach Auffassung von Martin Weber stellte die Neuregelung jedoch lediglich „eine sprachliche Schärfung“ der aktuell schon geltenden Regelung dar. Betreuer würden bereits heute entsprechend handeln. Martin Weber bemängelte, dass im Gesetz nicht präzisiert würde, wie der Wunsch eines Betreuten ermittelt werden soll. Aus diesem Grund regte der Fachanwalt die „Entwicklung eines praxisnahen Toolkits für die unterstützte Entscheidungsfindung“ an.
Wie sich die Reform des Betreuungsrechts aus Richter- und Betreuersicht darstellt, verdeutlichte Dr. Szymon Mazur, Betreuungsrichter am Amtsgericht Fulda und Dozent an der Hochschule Fulda. Er zeigte unter anderem auf, welche neuen Aufgaben auf die Berufsbetreuer und Betreuungsgerichte zukommen und skizzierte die Abläufe im Betreuungsprozess. Nach Auffassung des Richters kommt dem Anfangsbericht, den Berufsbetreuer zukünftig erstellen müssen, eine hohe Bedeutung als „Fahrplan“ für die gesamte Betreuung zu. In einem Exkurs ging Dr. Mazur außerdem auf die besondere Problematik des neuen Notvertretungsrechts der Ehegatten ein, die nicht ausreichend über Rechte und Pflichten aufgeklärt würden.
Sein Fazit zum neuen Betreuungsrecht: „Es ist eine hervorragende Reform im materiellen Recht. Der Gesetzgeber hat sich jedoch gescheut, dies im Verfahrensrecht abzubilden, aus Angst, es kostet etwas.“
Ein wichtiges Diskussionsthema des Berufsbetreuertages, zu dem Alexander Engel einen Vortrag hielt, war die Unterstützte Entscheidungsfindung nach § 1821 BGB. Der Sozialarbeiter sowie Referent und Geschäftsführer des Fachverbands der Betreuungsvereine im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. gab interessante Einblicke in die aktuellen Entwicklungen und zeigte anhand von Beispielen, wie Berufsbetreuer und Berufsbetreuerinnen die Selbstbestimmung von Betreuten sichern können. Er betonte, dass dies immer ein kommunikativer Prozess und eine Frage der Grundhaltung sei. Einheitliche und akzeptierte Standards würden jedoch aktuell noch fehlen. Anschließend ging Alexander Engel ausführlich auf die Pflichten des Betreuers und auf mögliche Hürden ein und beantwortete die zahlreichen Fragen aus dem Plenum.
Den Abschluss und zugleich eines der Highlights des Berufsbetreuertages 2022 bildete ein Impulsvortrag von Horst Böhm, Präsident des Landgerichts Regensburg a.D. sowie Lehrbeauftragter der Hochschule Wismar. Horst Böhm war zudem von 2013 bis 2019 Vorsitzender einer Beschwerdekammer, vornehmlich zuständig für Betreuungs- und Unterbringungsverfahren.
Der erfahrene Jurist analysierte, was sich durch die Reform in Bezug auf Aufgabenkreis und Aufgabenbereiche 2023 ändert. Mit der Frage, ob sich hinter den neuen Definitionen „Wortklauberei“ oder „juristisches“ Handwerk verbirgt, stieg er gleich pointiert ins Thema ein. Anhand zahlreicher Praxisbeispiele stellte Horst Böhm dann die Unterschiede zwischen der alten und neuen Rechtslage dar. Vieles würden Betreuer schon heute beachten – jetzt stünde es eben auch im Gesetz, führte Böhm aus. Aus seiner Sicht hat die Reform jedoch eine wichtige Diskussion wieder in Gang gebracht und verdient den Umsetzungswillen durch alle Protagonisten. Betreuungen liefen immer nur im funktionierenden Netzwerk aller Protagonisten. Horst Böhms Appell an die anwesenden Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer: „Sie müssen das geltende Recht auch geltend machen – legen Sie gegebenenfalls Rechtsmittel ein!“
Zum Abschluss des Berufsbetreuertages 2022 stimmten alle Teilnehmenden darin überein, dass die Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder jede Menge wertvollen und nützlichen Input für den Betreueralltag bot.
Und Akademieleiterin Stephanie Kreuzhage resümiert: „Wir haben erneut eine erfolgreiche Tagung abgehalten, uns ausgetauscht und gemeinsam die aktuellen Herausforderungen besprochen. Das macht den Berufsbetreuertag der BeckAkademie Fernkurse aus. Als Fazit der vielen Fachvorträge auf dem Berufsbetreuertag 2022 lässt sich festhalten: Die Betreuungsrechtsreform 2023 ist eine Herausforderung und Zumutung zugleich!“
Mit einem Sektempfang, zu dem die BeckAkademie Fernkurse geladen hatte, klang der Berufsbetreuertag 2022 schließlich aus. Bei Fingerfood und kühlen Getränken ließen Referenten und Teilnehmende den Tag in entspannter Atmosphäre noch einmal Revue passieren. Alle Anwesenden freuten sich, dieses beliebte Get2Gether endlich wieder in Präsenz genießen zu könnten, bietet es doch die willkommene Gelegenheit zum Netzwerken und zum Austausch wertvoller Kontakte. Das Fazit des Tages brachte Berufsbetreuerin Gabriele Klemenz treffend auf den Punkt: „Das war wieder ein gelungener informativer Tag mit tollen Referenten.“
Die große Resonanz und Teilnehmerzahl am Berufsbetreuertag 2022 motiviert die BeckAkademie Fernkurse für den nächsten Berufsbetreuertag 2023 am 12. Mai 2023 – wieder in München und wieder als Hybrid-Veranstaltung. Dabei wird die Betreuungsrechtsreform 2023 sicher wieder ein wichtiger thematischer Schwerpunkt sein.