Betreuerauswahl

Der Wunsch des Betroffenen muss ermittelt werden

Der Fall: Die 81-jährige Betroffene hatte einen schweren Herzinfarkt erlitten mit der Folge, dass sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen konnte. Das Amtsgericht hatte einen Berufsbetreuer mit umfassten Aufgabenkreisen bestellt. Hiergegen hat der Sohn mit dem Ziel, ihn als Betreuer zu bestellen, erfolgreich Beschwerde eingereicht. Nun hatte die Betroffene wiederum Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingereicht.

Der Beschluss des BGH vom 27.06.2018, Az. XII ZB 601/17

Prüfungsgegenstand der Rechtsbeschwerde war wegen der Beschränkung der Beschwerde allein die Frage der Betreuerauswahl, und nicht die Voraussetzung für die Betreuerbestellung. Der BGH befasste sich zunächst mit dem Betreuervorschlag.

Wenn ein Betreuer vorgeschlagen wird, so ist dem zu entsprechen, es sei denn, dies läuft dem Wohl des volljährigen Betreuten zuwider, § 1897 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB. Dieser Vorschlag erfordert weder Geschäfts- noch natürliche Einsichtsfähigkeit, sondern der Betroffene muss nur seinen Willen bezüglich der Betreuerauswahl kundtun. Dabei ist seine Motivation unerheblich. Das Landgericht hatte bei der Betreuerbestellung den im Anhörungstermin den von der Betroffenen gewonnenen Eindruck zugrunde gelegt. Danach schien es für das Landgericht so, dass die Betroffene nicht mehr in der Lage war, den Willen bezüglich eines Betreuers zu äußern.

Hiergegen hatte sie mit einer Rechtsbeschwerde gerügt, dass das Landgericht die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nicht unter Ausschöpfung aller gebotenen Mittel durchgeführt habe, § 26 FamFG.

Der BGH fand deutliche Worte für die notwendigen Ermittlungen:

Das Gericht müsse nicht nur die Möglichkeit der verbalen Kommunikation, sondern auch die erhalten gebliebenen nonverbalen Kommunikationsfähigkeiten nutzen.

Vorliegend konnte dem Protokoll über die Anhörung nicht einmal entnommen werden, dass die Betroffene überhaupt danach gefragt wurde, ob sie von ihrem Sohn rechtlich betreut werden wolle. Jedoch war es dem Verfahrenspfleger, der Betreuungsbehörde und auch dem früheren Betreuer durchaus möglich gewesen, eine Kommunikation mit der Betroffenen aufzubauen. Hierbei hatte die Betroffene teils verbal (mit der Antwort nein), teils nonverbal (durch Kopf nicken oder schütteln) zu antworten vermocht. So konnte ein Betreuerwunsch durchaus in Erfahrung gebracht werden!

Ob das Landgericht eine ähnliche Kontaktaufnahme mit der Betroffenen versucht hat, konnte der BGH dem Anhörungsprotokoll nicht entnehmen. Selbst wenn aber das Landgericht dies nicht hätte feststellen können, so hätte geprüft werden müssen, ob frühere oder nachfolgende Äußerungen der Betroffenen herangezogen werden können. Wenn die Betroffene z. B. einen Vorschlag unterbreitet hätte, so wäre es wichtig gewesen, Vorschläge in Betreuungsverfügungen oder während des laufenden Verfahrens, zu denen die Betroffene damals noch in der Lage war, für die spätere Betreuerbestellung zu beachten.

So hatte die Betroffene gegenüber dem Verfahrenspfleger noch am 07.07.2016 verneint und den Kopf geschüttet auf die Frage, ob sie von ihrem Sohn rechtlich betreut werden wolle.

Der Verfahrenspfleger hatte sich darauf bei dem anwesenden Pflegedienstmitarbeiter erkundigt, wie er diese Geste der Betroffenen deuten würde. Dieser hatte erklärt: „sie möchte es nicht“.

Der Verfahrenspfleger fragte nochmals in Gegenwart eines Mitbewohners nach, wieder schüttelte die Betroffene den Kopf auf die Frage, ob ihr Sohn als Betreuer bestellt werden solle. Der Verfahrenspfleger war „hartnäckig“ und wollte nochmals wissen, ob der Sohn sich um den Papierkram und die Bankgeschäfte kümmern solle. Erneut schüttelte die Betroffene energisch den Kopf.

Der frühere Betreuer hat in Gegenwart der Betreuungsbehörde am 31.05.2017 die Betroffene besucht und in Aussicht gestellt, dass sich der Sohn künftig um ihre Angelegenheiten kümmern solle. Wieder erklärte die Betroffene laut vernehmbar nein, wehrte mit der linken Hand ab, fing sogar an zu weinen und war für längere Zeit nicht zu beruhigen.

Sowohl der frühere Betreuer als auch die Betreuungsbehörde interpretierten dies als eine klare Geste im Sinne eines ablehnenden Willens der Betroffenen.

Abschließend wies der BGH darauf hin, dass des Landgericht es versäumt habe, Feststellungen über diese zu den Gerichtsakten angezeigten Sachverhalte zu treffen und deren Bedeutung für den Betreuerwunsch der Betroffenen zu würdigen.

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg, sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landgerichts.

Bedeutung der Entscheidung für Ihre  Betreuungspraxis

Dokumentieren Sie den Wunsch des Betreuten nach einem Betreuervorschlag, fertigen Sie Aktennotizen an und versuchen Sie den Willen des Betreuten situationsadäquat zu erkunden.

10. März 2019 | Kategorie: Corinna Hell, Urteile |