Der Fall: Eine Berufsbetreuerin hatte einen Studienabschluss als Staatswissenschaftlerin an der Fachschule für Staatswissenschaft „Edwin Hoernle“ in Weimar mit der Bezeichnung „Diplomverwaltungswirtin (FH)“ erworben. Sie vertrat die Auffassung, dieser Abschluss und ihre weitere Qualifizierung zur „Personal- und Bildungsreferentin“ würden den höchsten Stundensatz von 44,00 € rechtfertigen.
Die Berufsbetreuerin hatte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden eingelegt mit dem Ziel, einen Stundensatz von 44,00 € statt der vom Beschwerdegericht Dresden zuerkannten 27,00 € zu erreichen.
Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.03.2017, Az. XII ZB 570/15
Der BGH verwies für die Entscheidung der Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer die Voraussetzung für eine erhöhte Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG geltend machen könne, auf die Entscheidung des Tatrichters – also der Vorinstanz.
Der BGH kann in der Rechtsbeschwerde – die keine weitere Tatsacheninstanz ist – nur prüfen, ob die vorangegangene Instanz die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe zutreffend erkannt, keine Erfahrungssätze verletzt sowie die allgemeinen anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und angewandt hat.
Nach diesen Kriterien hatte das Landgericht Dresden entschieden, dass das Studium der Berufsbetreuerin nicht so von der Vermittlung besonderer, für die Führung der Betreuung nutzbarer Kenntnisse mitgeprägt ist, dass es in seinem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Erkenntnisse ausgerichtet war.
Die Berufsbetreuerin hatte auf ihre Qualifizierung zur Personal- und Bildungsreferentin hingewiesen, dies jedoch würde nach Ansicht des BGH nicht die Voraussetzung für einen erhöhten Stundensatz erfüllen.
Der BGH begründete seinen Beschluss daher wie folgt
Der erhöhte Stundensatz von 44,00 € sei nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG gerechtfertigt, wenn die Ausbildung in ihrem Kernbereich – also nicht nur am Rande – darauf ausgerichtet sei, betreuungsrelevante Kenntnisse zu vermitteln.
Wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse gerichtet sei und dadurch das so erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausginge, könne man folgendes annehmen:
Die Betreuung sei in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung von Kenntnissen, die für die Betreuung relevant sind, gerichtet.
Der BGH befasste sich sodann mit den Feststellungen des Beschwerdegerichts als Tatsacheninstanz
Die Berufsbetreuerin hatte ihre Abschlussprüfung u.a. in den Fächern Grundlagen des Marxismus/Leninismus, Theorie des Staats- und Verwaltungsrechts, Wirtschaftspolitik/Volkswirtschaftsplanung, ausgewählte Probleme des Wirtschafts- und Arbeitsrechts, pädagogisch psychologische Grundfragen der staatlichen Leitung u.a. geleistet.
Die Lehrinhalte der meisten dieser Fächer hätten keine für die Führung einer rechtlichen Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt.
Zumindest seien die Fächer nicht in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Erkenntnisse ausgerichtet gewesen.
Die Weiterbildung der Betreuerin zur Personal- und Bildungsreferentin sei weder mit einem Hochschulstudium noch mit einer Lehre vergleichbar.
Die Berufsbetreuerin hatte nun argumentiert, das Beschwerdegericht hätte sich ein Gesamtbild aus ihrem Studium, der Fortbildung zur Personal- und Bildungsreferentin sowie schließlich ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Bereich Gesundheit und Sozialwesen in der Stadtverwaltung bilden müssen.
Dem trat der BGH mit folgenden Argumenten entgegen
Eine Gesamtbetrachtung aller Ausbildungen ist nicht vorzunehmen. Dies sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nicht vor. Die Betreuerin hatte sich noch auf § 242 BGB berufen, nach Treu und Glauben sei unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes an dem ihr zuvor zugebilligten Stundensatz von 44,00 € auch für die Zukunft festzuhalten.
Der BGH wies darauf hin, dass das Betreuungsgericht auf den neu gestellten Vergütungsfestsetzungsantrag erneut das Vorliegen der Voraussetzungen für die Höhe der Vergütung prüfen musste. Dabei konnte das Betreuungsgericht durchaus eine neue abweichende Wertung vornehmen, so dass der Stundensatz von zunächst 44,00 € auf 27,00 € herabgesetzt werden konnte.
Ein schützenswertes Vertrauen der Berufsbetreuerin in eine gleichbleibende Festsetzung für künftige Zeiten verneinte der BGH.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Vergütungspraxis
Sie können sich nach dieser Entscheidung nicht wirtschaftlich darauf einrichten, dass Sie stets denselben Stundensatz erhalten. Das Risiko, dass Ihre Ausbildung bei einer erneuten Prüfung aufgrund Ihres neuen Vergütungsantrags nicht denselben Stundensatz rechtfertigt, besteht.