Der Fall: Durch einstweilige Anordnung vom Dezember 2010 wurde die vorläufige Betreuung für die beschwerdeführende Betreute beschlossen.
Im Juni 2011 beantragte der rechtliche Betreuer beim Amtsgericht eine Verlängerung der einstweiligen Betreuung um sechs Monate. Das Amtsgericht verlängerte die Betreuung, ohne jedoch die beschwerdeführende Betreute zuvor anzuhören.
Nochmals beantragte der rechtliche Betreuer im August 2011 die vorläufige Betreuung bis 31. Oktober 2011. Wieder wurde die Beschwerdeführerin nicht angehört. Mit Ablauf des 31. Oktober 2011 endete die Betreuung ohne erneute Verlängerung.
Die Beschwerdeführerin beantragte beim Amtsgericht festzustellen, dass sie der Beschluss über die Verlängerung vom August 2011 in ihren Rechten verletzt habe. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht wiesen diese Beschwerde wegen fehlender Begründetheit zurück. Daraufhin legte die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde ein.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.2016, Az. 1 BvR 184/13
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Beschluss des Amtsgerichts über die Verlängerung der Betreuung die Beschwerdeführerin und Betreute in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, verletze.
Das Recht auf freie und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit sichere jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne. Die Anordnung einer Betreuung beeinträchtige dieses Recht, sich in eigenverantwortlicher Gestaltung des eigenen Schicksals frei zu entfalten.
Durch die Betreuung wird Dritten eine rechtliche und tatsächliche Mitverfügungsgewalt bei Entscheidungen im Leben des Betroffenen zugewiesen.
Ein solcher erheblicher Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn das Gericht den Sachverhalt für die Voraussetzungen der Einrichtung oder Verlängerung einer Betreuung ausreichend aufgeklärt habe. Hierzu gehöre aber als zentrale verfassungsrechtliche Anforderung die Beachtung des Rechts auf Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.
Die persönliche Anhörung ist grundsätzlich unverzichtbar. Sie darf im Eilverfahren bei Gefahr im Verzug vorläufig unterbleiben, muss aber dann unverzüglich nachgeholt werden. Durch eine spätere Anhörung erfolgt keine rückwirkende Heilung.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Unterbleiben der persönlichen Anhörung die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung begründet.
Schließlich sei auch das Recht auf Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, weil das Landgericht als Beschwerdegericht ein rechtliches Interesse an der Feststellung der fehlerhaften Entscheidung des Amtsgerichts verneint habe.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis
Achten Sie darauf, dass bei der Anordnung einer Betreuung stets Ihr Betreuter persönlich vom Betreuungsgericht angehört wird. Nach einem Eilverfahren ist die Anhörung nachzuholen. Eine spätere Anhörung heilt diesen Fehler nicht für die Vergangenheit. Es kann erhebliche Konsequenzen haben, wenn später der Beschluss über die Anordnung der Betreuung wegen fehlender Anhörung aufgehoben wird, obwohl Sie bereits tätig waren.