Der Fall: Der 52-jährige Betroffene leidet an einer bipolaren affektiven Störung mit psychotischer Symptomatik. Für ihn wurde am 04.10.2004 eine Berufsbetreuung mit den Aufgabenkreisen der Gesundheits- und Vermögenssorge sowie Wohnungs- und Behördenangelegenheiten eingerichtet. Der zunächst angeordnete Einwilligungsvorbehalt wurde später aufgehoben. Gleichzeitig ist am 15.07.2010 die Ehefrau des Betroffenen für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge und Wohnungsangelegenheiten bestellt worden.
Nach Scheidung der Ehe des Betroffenen wurde mit Beschluss vom 26.05.2014 ein Berufsbetreuer am neuen Wohnort des Betroffenen für die bisherigen Aufgabenkreise bestellt. Am 18.07.2015 erteilte der Betroffene seiner Tochter (bei der er nun lebt) Generalvollmacht. Daraufhin wurde die Gesundheitssorge durch Beschluss des Amtsgerichts vom 24.07.2015 herausgenommen.
Jedoch widerrief der Betroffene am 23.07.2015 die Generalvollmacht und legte Beschwerde gegen den Beschluss vom 24.07.2015 ein. Das Amtsgericht half dieser Beschwerde durch Beschluss vom 22.12.2016 ab, indem es wieder die Tochter zur Betreuerin für die Gesundheitssorge und einen neuen Berufsbetreuer für die übrigen Angelegenheiten bestellte.
Hiergegen legte der Betroffene erneut Beschwerde ein, diese wurde vom Landgericht verworfen. Die Tochter des Betroffenen teilte jedoch am 28.03.2016 mit, dass sie sich aus persönlichen Gründen nicht mehr in der Lage sehe, die Gesundheitssorge für ihren Vater weiter innezuhaben.
Da eine Verlängerungsentscheidung anstand holte das Amtsgericht ein neues Sachverständigengutachten ein, und hob die Betreuung mit Beschluss vom 17.08.2016 wegen Unbetreubarkeit auf.
Der Betroffene legte hiergegen Beschwerde ein, mit der er die Bestellung seiner geschiedenen Ehefrau als Betreuerin für die Gesundheits- und Vermögenssorge wünschte. Das Amtsgericht half der Beschwerde insoweit ab, als es die geschiedene Ehefrau für diese Aufgabenkreise zzgl. der Behörden- und Wohnungsangelegenheiten bestellte. Der Betroffene und die die geschiedene Ehefrau als Betreuerin legten beide Beschwerde ein, mit der sie eine Erweiterung der Betreuung auf alle Angelegenheiten verfolgten. Dies war beim Landgericht erfolglos.
Nun jedoch beantragte die geschiedene Ehefrau, sie als Betreuerin abzuberufen und einen anderen Betreuer zu bestellen. Das Amtsgericht Breisach hob die Betreuung mit Beschluss vom 18.10.2017 insgesamt auf. Das Landgericht Freiburg wies die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen zurück.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen jedoch hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof (BGH) an eine andere Kammer des Landgerichts.
Der Beschluss des BGH vom 23.01.2019, Az. XII ZB 397/18
Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Voraussetzungen für die Betreuung entfallen sind.
Der BGH befasste sich zunächst mit dieser Argumentation des Landgerichts: „Ein Betreuungsbedarf ist aufgrund der konkreten gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen nicht mehr festzustellen. Weder der Betroffene selbst, noch die Betreuungsbehörde haben den Betreuungsbedarf begründen können. Konkreter Handlungsbedarf ist weder bei den Wohn- und Vermögens-, noch Gesundheitsangelegenheiten ersichtlich. Der Betroffene ist als unbetreubar einzustufen. Es ist nach dem Umzug des Betroffenen weder dem Berufsbetreuer, noch familiär vertrauten Personen gelungen, die Betreuung in sachgerechte Bahnen zu lenken. Die Personen aus dem familiären Umfeld haben nicht die Eignung bzw. die Fähigkeit, sich gegenüber dem manischen und fordernden Wesen des Betroffenen abzugrenzen.“
Diesen Ausführungen des Landgerichts erteilte der BGH eine klare Absage. Der BGH erläuterte vorab, dass die Betreuung nach § 1908d BGB aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers entfallen sind. Die Betreuung für zumindest einen der angeordneten Aufgabenkreise sei erforderlich, wenn ein Handlungsbedarf jederzeit auftreten kann.
Der BGH verwies auf die Feststellungen des Landgerichts, dass der Betroffene in erheblichem Umfang überschuldet sei, und er zu den notwendigen Entschuldungsmaßnahmen krankheitsbedingt nicht selbst in der Lage sei. Deshalb bedürfe er aber der Betreuung.
Das Landgericht hatte weiterhin angenommen, der Betroffene sei selbst in der Lage, die notwendigen Schritte in Bezug auf die zu beantragenden Sozialleistungen zu veranlassen. Der BGH verwies auf die – dazu im Widerspruch stehenden – Ausführungen des Landgerichts, dass die Zahlung von Erwerbsminderungsrente auf seinen Wunsch hin eingestellt worden sei. Der Betroffene hatte fälschlicherweise begründet, er könne einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dies entsprach jedoch in keiner Weise den Tatsachen.
Auch die Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII waren ihm bereits einmal wegen fehlender Mitwirkung entzogen worden. Dies führe also zu einem Handlungsbedarf in den Behördenangelegenheiten, der jederzeit auftreten könne. Ohne die Betreuung besteht die begründete Besorgnis, dass nicht das Notwendige veranlasst wird.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine Unbetreubarkeit nicht vorliegt
Voraussetzungen einer Unbetreubarkeit: Eine Unbetreubarkeit kann erst dann angenommen werden, wenn die Betreuung – aus welchem Grund auch immer – keinerlei Änderung der Situation herbeiführen kann. So kann eine Betreuung aufgehoben werden, wenn der mit der Bestellung des Betreuers erstrebte Erfolg nicht zu erreichen ist, weil z.B. der Betreuer seine Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen und zum Wohl des Betroffenen nichts bewirken kann.
Mit der Annahme einer solchen Unbetreubarkeit sei Zurückhaltung geboten, zumal die fehlende Bereitschaft, vertrauensvoll mit dem Betreuer zusammenzuarbeiten, gerade Ausdruck der Erkrankung sein kann.
Gerade in diesem Fall käme die Aufhebung der Betreuung nur dann in Betracht, wenn es gegenüber den sich für den Betroffenen aus der Krankheit oder Behinderung ergebenden Nachteilen unverhältnismäßig erscheine, die Betreuung aufrecht zu erhalten.
Wenn der Betroffene nicht kooperativ sei, so müsse gefragt werden, ob durch die Betreuung eine Verbesserung der Situation erreicht werden kann. Maßgeblich ist es, ob der Betreuer durch rechtliche Entscheidungen einen für den Betroffenen positiven Einfluss nehmen kann.
Es sei Aufgabe des Betreuungsgerichts, auch bei schwierigen Betroffenenpersönlichkeiten durch den Beschluss zur Anordnung der Betreuung Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche rechtliche Betreuung zu schaffen. Bei der Auswahl des Betreuers sei darauf Wert zu legen, dass der (gegebenenfalls neue) Betreuer der Herausforderung durch die Betreuung mit Sachkunde und Erfahrung begegnen kann.
Vorliegend fehle es an konkreten Feststellungen, ob durch die Betreuung eine Verbesserung der Situation erreicht werden kann. Aus diesem Grunde wurde der Fall an eine andere Abteilung des Landgerichts zurückverwiesen.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuerpraxis
In der Praxis ist die Zusammenarbeit mit schwierigen Betreuten nicht immer einfach. Dennoch ist es Aufgabe des Betreuers, diesen Herausforderungen „mit Sachkunde und Erfahrung zu begegnen“ (BGH). Bei der Annahme einer Unbetreubarkeit ist also grundsätzlich Zurückhaltung geboten.