Der Gesetzgeber hat bewusst der ehrenamtlichen Betreuung den Vorrang vor einer beruflich geführten Betreuung gegeben. Im vorliegenden Fall wendet sich der Betroffene gegen die Betreuerauswahl im Rahmen der Verlängerung seiner Betreuung. Denn das Amtsgericht hatte anstelle eines Berufsbetreuers einen ehrenamtlichen Betreuer bestellt. Der Betroffene verfolgte mit seiner Rechtsbeschwerde das Ziel, dass der Berufsbetreuer weiterhin als sein Betreuer tätig ist.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.07.2018, Az. XII ZB 642/17
Der BGH bestätigte den Beschluss des Landgerichts mit folgenden Argumenten:
Der Gesetzgeber habe der ehrenamtlichen Betreuung bewusst den Vorrang vor einer beruflich geführten Betreuung gegeben. Deshalb sei diese gesetzgeberische Wertung maßgeblich, selbst wenn der Betroffene einen bestimmten Berufsbetreuer vorschlägt.
Zwar müsse der Tatrichter nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB die Person zum Betreuer bestellen, die der Betroffene wünscht. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Bestellung dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Auch nach § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB soll ein Berufsbetreuer nur bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die die Betreuung ehrenamtlich führt.
Die Streitfrage, ob der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung nach § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB auch dann gilt, wenn der Betroffene – wie hier – die Bestellung eines bestimmten Berufsbetreuers gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB wünscht, entschied der BGH wie folgt:
Der BGH schloss sich der überwiegenden Auffassung an, dass die ehrenamtliche Betreuung selbst dann vorrangig ist, wenn der Betroffene vorschlägt, einen bestimmten Berufsbetreuer zu bestellen.
Zur Begründung bezog der BGH sich ausführlich auf die Grundlagen der Auslegung:
Zwar könne der Wortlaut der Norm für einen Vorrang des Wunsches des Betroffenen sprechen. Dem steht jedoch die historische, systematische und schließlich auch teleologische Auslegung des § 1897 BGB entgegen.
Zunächst einmal ist § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB eine Sollvorschrift, mithin sind Ausnahmen von dem Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung im Einzelfall möglich.
Historisch zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass der Gesetzgeber generell die ehrenamtliche Betreuung als vorrangig einführen wollte. Dahinter steht die Überlegung, dass überqualifizierte Betreuer möglichst nicht eingesetzt werden sollten, wobei der Gedanke der Rücksichtnahme auf die Belange der Staatskasse sicherlich auch eine Rolle spielte. Schließlich sollten qualifizierte Betreuer nur für solche Fälle eingesetzt werden, in denen ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten wirklich benötigt würden.
Auch nach der systematischen Auslegung des § 1897 BGB würde dieser Wille des Gesetzgebers bestätigt werden:
Wenn das Vorschlagsrecht des Betroffenen aus § 1897 Abs. 4 BGB auch den Berufsbetreuer hätte erfassen sollen, so hätte der Gesetzgeber dies bereits in § 1897 Abs. 5 BGB mit aufgenommen. Stattdessen jedoch ist der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung in einem gesonderten Abs. 6 geregelt worden, der die Einschränkung bezüglich eines Berufsbetreuers gerade nicht enthält und deshalb auch Abs. 4 einbezieht.
Schließlich spricht ebenfalls eine teleologische Auslegung für den Vorrang der Bestellung des ehrenamtlichen Betreuers:
Diese Auslegung nach dem Zweck der Vorschrift berücksichtige das legitime Ziel des Gesetzgebers − neben fiskalischen Interessen − Betreuer mit besonderer Qualifikation nur in wirklich nötigen Fällen einzusetzen. So könne eine angemessen Versorgung aller Betroffenen gewährleistet werden.
In Ausnahmefällen – wenn der Betroffene so sehr auf den vorgeschlagenen und geeigneten Berufsbetreuer fixiert ist, dass er mit einem ehrenamtlichen Betreuer nicht erfolgreich zusammenarbeiten wird, bleibt dem Betreuungsrichter noch Spielraum. So kann er in diesem Ausnahmefall trotzdem einen Berufsbetreuer bestellen. Damit wird das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und letztlich sein Vorschlagsrecht wieder berücksichtigt.
Im vorliegenden Fall hatte zwar der Betroffene nach dem Verständnis des Landgerichts ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zu seinem Berufsbetreuer. Aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung würde es ihm schwerfallen, neue soziale Beziehungen und Bindungen einzugehen. Da das Landgericht jedoch aufgrund der Anhörung den Eindruck gewonnen hat, dass der ehrenamtliche Betreuer ebenfalls dem Betroffenen die menschliche Zuwendung entgegenbringen kann, sah der BGH in der Persönlichkeitsstörung des Betroffenen kein Hindernis.
Darüber hinaus würde der aktuelle Umfang der zu regelnden Angelegenheiten keine im besonderen Maße von persönlichen Bindungen und Kontakten geprägte Beziehung zwischen Betreuer und Betroffenem erfordern.
Bedeutung der Entscheidung für Betreuerpraxis
Obwohl der Wunsch des Betroffenen vom Betreuungsgericht zu beachten ist, kann entgegen seinem Vorschlag dennoch ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt werden. Das hat der BGH sehr ausführlich unter Berücksichtigung der Auslegung der jeweiligen Vorschriften festgestellt.
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