Die persönliche Anhörung eines Betroffenen beruht auf der Verfahrensregel des § 26 FamFG. Das rechtliche Gehör ist sogar im Grundgesetz (GG) – Art. 103 Abs. 1 GG – festgelegt. Das Betreuungsgericht muss nach § 26 FamFG von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen durchführen. Wenn das Gericht ein neues Sachverständigengutachten einholt und dieses Gutachten als Tatsachengrundlage für seine Entscheidung heranziehen will, muss der Betroffene unbedingt gehört werden.
Der Fall: Für den Betroffenen – der an einer chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet – besteht seit 2009 eine Betreuung. Sie umfasst sehr viele Aufgabenkreise, u. a. die Gesundheits- und Vermögenssorge, die Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten etc. Für die Vermögenssorge besteht zudem ein Einwilligungsvorbehalt.
Nachdem das Amtsgericht einen Betreuerwechsel angeordnet hatte, erklärte der Betroffene, eine Betreuung sei für ihn nicht erforderlich. Das Amtsgericht wertete diesen Antrag im Sinne einer Aufhebung der Betreuung und gab dem Gesuch nach Anhörung des Betroffenen nicht statt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne erneute persönliche Anhörung des Betroffenen zurück. Der Betroffene legte Beschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) ein.
Der Beschluss des BGH vom 18.10.2017, Az. XII ZB 198/16
Der BGH entschied, dass die Rechtsbeschwerde begründet sei. Der Beschluss des Landgerichts wurde aufgehoben und der BGH verwies die Sache zurück an das Landgericht. Für die Aufhebung einer Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehalts würden §§ 294 Abs. 1 FamFG, 279 Abs. 1, 3 und 4 und 288 Abs. 2 Satz 1 FamFG entsprechend gelten.
Obwohl auf § 278 Abs. 1 FamFG nicht verwiesen wurde, der die persönliche Anhörung des Betroffenen vorschreibt, gilt die allgemeine Verfahrensregel des rechtlichen Gehörs – siehe Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz.
Da das Gericht von Amts wegen nach § 26 FamFG die Ermittlungen durchzuführen hat und die geeignet erscheinenden Beweise erheben muss, kann im Einzelfall eine persönliche Anhörung des Betroffenen notwendig sein. Das Gericht hat die Möglichkeit, hiervon abzusehen, z. B. wenn sich das Begehren des Betroffenen nach Aufhebung der Betreuung von vornherein „als eine offenkundig aussichtslose und querulatorisch erscheinende Eingabe“ darstellt.
Wenn im Aufhebungsverfahren ein neues Sachverständigengutachten eingeholt wird, ist jedoch die Anhörung des Betroffenen generell unverzichtbar. Zur Begründung gab der BGH an, dass erst die persönliche Anhörung des Betroffenen und der dadurch von ihm gewonnene Eindruck dem Gericht die Möglichkeit gibt, seine Kontrollfunktion gegenüber dem Sachverständigen sachgerecht auszuüben.
Das Landgericht hätte den Betroffenen nochmals anhören müssen, obwohl dies bereits beim Amtsgericht geschehen war. Da das Landgericht seine Entscheidung auf das Sachverständigengutachten gestützt hat, hätte es sich durch eine persönliche Anhörung des Betroffenen in die Lage versetzen müssen, das Sachverständigengutachten sachgerecht zu prüfen.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis
Beachten Sie stets den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, siehe Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz. Der Betroffene ist zwar nicht immer anzuhören. Wenn das Beschwerdegericht jedoch ein neues Sachverständigengutachten einholt, ist seine erneute Anhörung zwingend geboten.