Zum 01.07.2014 tritt das Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde in Kraft. Mit diesem Gesetz sollen durch Änderungen im Verfahrensrecht und Änderungen im Betreuungsbehördengesetz die Funktionen der Betreuungsbehörde sowohl im Vorfeld, als auch im gerichtlichen Verfahren gestärkt werden. Den Betroffenen sollen andere Hilfen, die der Bestellung eines Betreuers vorgehen und eine Betreuung vermeiden können, besser aufgezeigt und vermittelt werden und damit Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht auf das Notwendige beschränkt werden. Die Betreuungsbehörde soll damit auch wesentlich dazu beitragen, dass in geeigneten Fällen ehrenamtliche Betreuer bestellt werden.
Bereits die geltende Rechtslage sieht die Anhörung der Betreuungsbehörde vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts vor, wenn es der Betroffene verlangt oder es der Sachverhaltsaufklärung dient. Durch eine obligatorische Anhörung der Behörde vor Bestellung eines Betreuers oder vor Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts soll der Sachverstand der Betreuungsbehörde bei der Sachverhaltsaufklärung des Betreuungsgerichts eingebunden und der Erforderlichkeitsgrundsatz in der Praxis besser umgesetzt werden. Im Hinblick auf die Bestellung eines Betreuers werden qualifizierte Kriterien für den Bericht der Behörde aufgestellt. Dieser Bericht soll damit generell stärker als bisher eine umfassende Sachverhaltsaufklärung ermöglichen (Filterfunktion). Zwischen dem Bericht der Betreuungsbehörde und dem Sachverständigengutachten wird eine inhaltliche Verknüpfung ermöglicht.
Die Aufgabe der Behörde, das Gericht zu unterstützen, wird entsprechend der verfahrensrechtlichen Neuregelung konkretisiert. Auch die Aufgaben der Behörde, die im Vorfeld eines betreuungsgerichtlichen Verfahrens bestehen, werden ausdrücklich gesetzlich verankert. Mithilfe von Informationen und Beratung im Hinblick auf mögliche Betreuungsfälle können frühzeitig andere Hilfen aufgezeigt und damit betreuungsgerichtliche Verfahren unter Umständen vermieden werden. Zudem wird geregelt, dass die Behörde betroffenen Personen ein Beratungsangebot unterbreitet. Die Beratung beinhaltet Informationen darüber, durch welche Hilfen eine Betreuung vermieden werden kann. Wenn sozialrechtliche Hilfen und Assistenzen in Betracht kommen, soll die Behörde den Betroffenen beraten und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Sozialleistungsträgern auf andere Hilfen, bei denen kein Betreuer bestellt wird, hinwirken.
Mit der steigenden Zahl von Vorsorgevollmachten nimmt auch die Bedeutung der Beratung und Hilfestellung für Bevollmächtigte bei ihrer Aufgabenwahrnehmung im Vorsorgefall zu. Zu diesem Zweck sollen die Bevollmächtigten in § 5 BtBG, der bislang ausschließlich die Einführung und Fortbildung von Betreuern regelt, einbezogen werden.
Änderungen im FamFG
§ 279 Abs. 2 FamFG
Nach bisheriger Rechtslage ist die Anhörung der Betreuungsbehörde nicht verpflichtend vorgeschrieben. Sie ist derzeit vorgesehen, wenn es der Betroffene verlangt oder es der Sachverhaltsaufklärung dient. Durch ihre obligatorische Anhörung unmittelbar nach Einleitung des Verfahrens wird die Fachkompetenz der Betreuungsbehörde in jedem Verfahren vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nunmehr nutzbar gemacht. Ohne Einbindung der Betreuungsbehörde bestünde die Gefahr, dass andere Hilfen, die unterhalb der Schwelle der rechtlichen Betreuung noch zur Verfügung stehen, nicht ausgeschöpft werden, und damit würde verhindert, dass der Betroffene weiterhin selbstbestimmt handeln kann. Für die Bestellung eines vorläufigen Betreu- ers oder die Anordnung eines vorläufigen Einwilligungsvorbehalts nach § 300 FamFG oder § 301 FamFG ist – wie bisher – eine Anhörung der Betreuungsbehörde nicht vorgeschrieben.
§ 279 Abs. 2 Satz 2 FamFG bezieht sich nur auf Verfahren zur erstmaligen Bestellung eines Betreuers, nicht auf Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts. Die Nummern 1 bis 4 des Kriterienkatalogs in Satz 2 sind nicht abschließend zu verstehen, sondern durch das Wort „insbesondere“ für weitere Gesichtspunkte nach den jeweiligen Erfordernissen im Einzelfall offen. Nach Nummer 3 soll die Behörde auch zur Betreuerauswahl berichten, die sich nach § 1897 BGB – also der individuellen Eignung für die persönliche Betreuung des Betroffenen, dessen Wünschen und Wohl – richtet. Dabei wird die Behörde es ermöglichen, dass sich der Betroffene und der in Betracht kommende zukünftige Betreuer nach Möglichkeit vor Bestellung kennenlernen, um den für die persönliche Betreuung passenden Betreuer auswählen zu können.
§ 280 Abs. 2 FamFG
Durch die Regelung wird das Sachverständigengutachten mit dem Bericht der Betreuungsbehörde verknüpft. Der ärztliche Sachverständige soll bei seiner gutachterlichen Stellungnahme zu den Auswirkungen der Krankheit des Betroffenen auch auf dessen soziale Situation eingehen und hierzu nach Möglichkeit den Bericht der Behörde in den Erkenntnisprozess einbeziehen. Allerdings ist nur ein dem Sachverständigen rechtzeitig vorgelegter Bericht zu berücksichtigen. Eine feste zeitliche Reihenfolge für den Bericht der Behörde und das medizinische Gutachten ist nicht vorgegeben, um dem Richter eine flexible Handhabung des Verfahrens im Einzelfall zu ermöglichen.
§§ 293 bis 295 FamFG
Bei einer Erweiterung, Aufhebung und Einschränkung sowie zur Verlängerung einer Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehalts soll vor einer Entscheidung auch weiterhin keine obligatorische Anhörung erfolgen. Insoweit wird dies durch Änderungen in den Vorschriften beibehalten. Anders als bei der erstmaligen Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts liegen dem Gericht in diesen Verfahren bereits Informationen zu dem Betroffenen vor.
Der Einschätzung der Betreuungsbehörde kann jedoch auch in diesen Verfahren eine wichtige Funktion bei der Sachverhaltsaufklärung zukommen. Sofern beispielsweise Anhaltspunkte für eine mögliche Aufhebung der Betreuung oder für einen möglichen Betreuerwechsel bestehen, sollte das Gericht daher eine Stellungnahme der Betreuungsbehörde anfordern.
Änderung im § 1908f Abs. 1 Nr. 2 BGB
Die gewonnenen ehrenamtlichen Betreuer sowie Bevollmächtigten werden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt. Die Pflicht zur Unterstützung soll neben der Pflicht zur Anleitung und Beratung bestehen. Ziel ist es, eine langfristige Einbindung der ehrenamtlichen Betreuer und der Bevollmächtigten in das Netzwerk eines Betreuungsvereins zu erreichen. Die Parallelität der Beratungsangebote (Gericht, Behörde, Verein) hat sich in der Praxis nicht als Nachteil erwiesen. Betreuer und Bevollmächtigte haben die Wahl, auf welches Angebot sie zurückgreifen möchten.
Änderungen des BtBG
Die Informations- und Beratungspflichten der Betreuungsbehörde werden verstärkt und erweitert. Generell muss die Behörde nun auch über allgemeine betreuungsrechtliche Fragen, Vorsorgevollmachten und andere Hilfen beraten und informieren, § 4 Abs. 1 BtBG. Zeichnet sich ein Betreuungsbedarf ab, soll der betroffenen Person ein Beratungsangebot unterbreitet werden. Über die reine Beratung hinaus sind auch konkrete andere Hilfen, bei denen kein Betreuer bestellt wird, zu vermitteln, § 4 Abs. 2 Satz 2 BtBG.
Die Betreuungsbehörde ist neben der Beratung auch zur Unterstützung der Betreuer und (Vorsorge-) Bevollmächtigten verpflichtet. Im Einzelfall berät sie den Betreuer und Bevollmächtigten nicht nur im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“, sondern sie muss auch problemlösend unterstützen, soweit der Betreuer bzw. Bevollmächtigte nach seiner Entscheidungsfindung mit der Erledigung einer Angelegenheit überfordert ist, § 4 Abs. 3 BtBG.
Die Unterstützung kann z. B. in der Abfassung von Schriftstücken, dem Ausfüllen von Anträgen, der Vermittlung von ambulanten sozialpflegerischen Diensten und in der Vermittlung eines Heimplatzes bestehen. Diesen umfassenden Auftrag werden die Betreuungsbehörden wegen der nicht selten mangelnden personellen Ausstattung nicht immer zeitgerecht erfüllen können. Eine vorherige telefonische Terminvereinbarung mit dem Berater der Betreuungsbehörde ist schon deshalb dringend zu empfehlen. In der Praxis zeichnet sich bei den Betreuungsbehörden ein Beratungsschwerpunkt bei der Vermittlung „anderer Hilfen“, zum Sozialrecht, zu allgemeinen Fragen des Betreuungsrechts und zu Fragen des Umgangs mit dem Betreuten ab. Die Betreuungsbehörde berät und unterstützt zudem die Berufs- und Vereinsbetreuer bei der Erstellung des nach § 1901 Abs. 4 Satz 2 BGB geforderten Betreuungsplans, § 4 Abs. 3 BtBG.
§ 4 Abs. 1 BtBG
Es wird ausdrücklich geregelt, dass es Aufgabe der Behörde ist, Betroffene und andere interessierte Personen über allgemeine betreuungsrechtliche Fragen zu informieren und allgemein gehaltene Hilfestellungen zu leisten. Zu den allgemeinen betreuungsrechtlichen Fragen gehören insbesondere betreuungsrechtliche Vorsorgeinstrumente und deren rechtliche Rahmenbedingungen.
§ 4 Abs. 2 BtBG
Die Betreuungsbehörde bietet Betroffenen eine Beratung an; sie setzt das Einverständnis des Betroffenen voraus; Datenschutzgesetze sind zu beachten. Die Beratung muss für den Betroffenen entsprechend seiner Fähigkeiten verständlich sein; sie sollte gegebenenfalls in leichter Sprache erfolgt. Um dem Erforderlichkeitsgrundsatz zu mehr praktischer Wirksamkeit zu verhelfen und um eine dem Modell „Eingangsinstanz“ entsprechende Filterfunktion zu erreichen, ist es von besonderer Bedeutung, dass den Betroffenen betreuungsvermeidende Hilfen und der Zugang hierzu durch Beratung aufgezeigt werden. Die Betreuungsbehörde teilt beispielsweise den Hilfebedarf anderen Fachbehörden mit und zeigt den Hilfebedürftigen Wege zu den zuständigen Stellen auf. Zu diesem Zweck besteht eine Kooperationspflicht zwischen der Betreuungsbehörde und den zuständigen Trägern sozialer Hilfen. Die Aufgabe der Betreuungsbehörde ist aber dabei weiterhin nur die Beratung; sie übernimmt gegenüber anderen Trägern keine Vertretung des Betroffenen.
Die Hilfe der Betreuungsbehörde ist auf Fälle beschränkt, in denen es Anhaltspunkte für einen Betreuungsbedarf gibt. Die Betreuungsbehörde leistet dabei keine allgemeine Erwachsenenhilfe, um jedermann mögliche Leistungen nach dem Sozialgesetz zu vermitteln. Hierfür sind andere, sozialrechtliche Stellen zuständig. Mit der Beschränkung auf Betreuung wird sichergestellt, dass die Aufgabe der Betreuungsbehörde weiterhin auf die Unterstützung von möglichen Betroffenen beschränkt ist und keine weitergehenden, parallelen Strukturen geschaffen werden.
§ 5 BtBG
Mit der steigenden Zahl von Vorsorgevollmachten nimmt auch die Bedeutung der Beratung und Hilfestellung für Bevollmächtigte bei ihrer Aufgabenwahrnehmung im Vorsorgefall zu. Die vorhandenen Informationsmaterialien und Handreichungen sind zwar eine erste Hilfe, sie können jedoch die persönliche Beratung und Betreuung der Bevollmächtigten bei der Wahrnehmung der Aufgaben nicht ersetzen. Die Anleitungspflicht der Betreuungsbehörde soll neben dem Betreuer nun auch den Bevollmächtigten erfassen. Anders als beim Betreuer verfügt die Behörde nicht über die Anschriften von Bevollmächtigen und kann diese daher nicht initiativ zu Fortbildungen einladen. Eine ausdrückliche Nennung in § 5 macht jedoch deutlich, dass – soweit der Bevollmächtigte die Unterstützung der Behörde wünscht – auch er in seine Aufgabenwahrnehmung eingeführt und fortgebildet werden soll.
§ 8 BtBG
§ 8 regelt die Gerichtshilfe. Die verfahrensrechtlichen Neuregelungen zum Bericht der Betreuungsbehörde (§ 279 Absatz 2 FamFG) werden dementsprechend in § 8 gespiegelt (Absatz 1 Nummer 1). Der derzeitige Regelungsinhalt von § 8 wird inhaltlich unverändert in Absatz 1 Nummer 2 und 3 sowie in Absatz 2 übernommen. In Absatz 2 wird der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung betont.
§ 9 BtBG
In dieser Vorschrift wird die Fachlichkeit geregelt. Sowohl der Bericht der Betreuungsbehörde als auch die weiteren Aufgaben setzten ein Fachwissen über mögliche andere, insbesondere sozialrechtliche Hilfen voraus. Aus diesem Grunde ist die Behörde mit entsprechend ausgebildeten Fachkräften auszustatten.
§ 10 BtBG
Der bisherige § 9 BtBG wird nunmehr inhaltsgleich § 10 BtBG. Er umfasst z.B die Unterstützung bei Vorführungen und Unterbringungen.