Berufsbetreuer kann prinzipiell jeder werden, der keine einschlägigen Vorstrafen hat und vom Gericht bestellt wird. Dennoch gibt es Fälle, in denen der Gesetzgeber die Erlaubnis zur Betreuung nicht erteilt. Er tut dies besonders dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Berufsbetreuer in einen Interessenskonflikt gerät. So dürfen zum Beispiel Mitarbeiter aus einer Einrichtung, in der der Betreute lebt, wegen der Gefahr von Interessenskonflikten nicht zum rechtlichen Betreuer bestellt werden. Dies gilt nach § 1897 Abs. 3 BGB auch dann, wenn die als Betreuer vorgesehene Person in einer anderen engen Beziehung zu der Einrichtung steht, in der der Betroffene lebt. Doch was ist, wenn die eigene Mutter den Sohn in ihrem Heim betreut?
Ein striktes „Nein“
Laut § 1897 Abs. 3 BGB hat der Richter bezüglich einer Person, die zu einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung, in der der Betroffene untergebracht ist oder wohnt, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung steht, keinerlei Ermessenspielraum. Eine solche Person darf nicht zum rechtlichen Betreuer bestellt werden. Diesen absoluten Ausschlussgrund (BayObLG FamRZ 1999, 50) hat der Richter strikt zu beachten, selbst wenn der Betroffene persönlich den Betreuer vorschlägt. Auch Betreuungsvereine dürfen nicht in einer engen Beziehung zu der Einrichtung, in der die Betroffenen leben, stehen. Das haben die meisten Bundesländer zusätzlich festgelegt.
Die Ausnahme
Eine Ausnahme gibt es. Laut Beschluss vom 20.03.2006 des Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1702/01, FamRZ 2006, 1509) besteht die Pflicht, die Bestimmung unter Berücksichtigung des Grundgesetzes, Artikel 6 GG auszulegen. Die Entlassung einer Mutter als Betreuerin kann verfassungswidrig sein.
Begründung: Das sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebende Elternrecht verbietet die Entlassung eines Elternteils, der die gesetzliche Betreuung des Kindes führt, wenn keine Interessenkollision besteht. Hinter diesem Beschluss von vor mehr als 10 Jahren steht der Fall einer Mutter eines volljähigen Sohnes mit Down-Syndrom.
Der Fall hinter der Ausnahmeregelung
Seit 1995 ist die Mutter als gesetzliche Betreuerin ihres volljährigen Sohnes mit dem Aufgabenkreis „Alle Angelegenheiten“ bestellt. Der Betreute ist aufgrund eines Down-Syndroms körperlich und geistig behindert und kann daher seine Angelegenheiten nicht selbst für sich regeln. Nach einem Umzug des Sohnes vom elterlichen Haushalt in eine von der Mutter geführten Einrichtung entließ das Amtsgericht die Mutter als Betreuerin gegen ihren Willen und bestellte die Tante des Jungen zur neuen gesetzlichen Betreuerin. Die Begründung des Amtsgerichts lautete, dass ein wichtiger Grund nach § 1908b Abs. 1 BGB für die Entlassung vorliege. Als Geschäftsführerin und Gesellschafterin des Trägers des Heimes, in dem der Sohn untergebracht sei, seien seitens der Mutter Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen. Die Beschwerden der Mutter vor dem Landgericht und ihre sofortige weitere Beschwerde vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht blieben erfolglos. Das Bayerische Oberste Landesgericht führte sogar noch ergänzend aus, dass Interessenkonflikte insbesondere im Rahmen des Aufgabenkreises Vermögenssorge zu befürchten seien.
Dieser Ansicht hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht angeschlossen. In der Begründung heißt es, das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG gestatte es nicht, § 1897 Abs. 3 BGB dahingehend auszulegen, dass bereits die entfernte, abstrakte Möglichkeit einer Interessenkollision genügen könne, um das Recht der Eltern auf eine bevorzugte Berücksichtigung bei der Auswahl von Betreuern für ihr volljähriges, schutzbedürftiges Kind einzuschränken. Art 6 Abs. 2 GG garantiere den Vorrang der Eltern bei der Verantwortung für das des Schutzes und der Hilfe bedürftige Kind.
Im vorliegenden Fall sei ausdrücklich festgestellt worden, dass die Möglichkeit einer Interessenkollision derzeit konkret nicht absehbar sei. Denn die Mutter habe unbestritten dargelegt, dass ihr Sohn unentgeltlich in der Einrichtung versorgt werde. Es seien keine weitergehenden Interessenkonflikte absehbar, als wenn der Sohn durch die Familie selbst untergebracht, betreut und versorgt werde. Durch eine Entlassung der Mutter würde die Familie daher gegenüber solchen Familien ungleich behandelt.
Aus diesen Gründen werde die angegriffene Entscheidung dem Elternrecht der Mutter nicht mehr gerecht, zumal das Gericht mildere, aber möglicherweise ähnlich geeignete Mittel zum Ausschluss der vermuteten Interessenkollision, etwa die Bestellung eines/einer Ergänzungsbetreuer oder eine gesteigerte gerichtliche Kontrolldichte im Berichtswesen, nicht erkennbar ins Auge gefasst habe.
Fazit: Manchmal lohnt sich, selbst bei absoluten Regelungen, die Prüfung des Einzelfalles.