Mehr Erfolg mit Einsendeklausuren

So lösen Sie Einsendeklausuren richtig (Teil 2)

Tips-TricksUm die verschiedenen Klausuren des Fernlehrgangs mit einem guten Ergebnis zu bestehen, sollten Sie auch den nachfolgenden Grundsatz, das Abstraktionsprinzip, aus dem Ratgeber Wie Sie Ihre Einsendeklausuren richtig lösen unbedingt beachten. Mit den Tipps von Rechtsanwältin und Berufsbetreuerin Corinna Hell fällt dies sicher leichter.

 

Teil 2: Warum Sie das Abstraktionsprinzip kennen und anwenden sollten

Abstrahieren bedeutet, aus dem Besonderen das Allgemeine zu entnehmen bzw. abzuleiten, sagt der Duden. Im juristischen Sinne heißt Abstraktion, dass Sie zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft unterscheiden müssen.

  • Verpflichtungsgeschäft: Schuldrechtliche Rechtsgeschäfte können Beziehungen zwischen Personen, zum Beispiel Pflichten oder Schulden, begründen.
  • Verfügungsgeschäft: Sachenrechtliche Rechtsgeschäfte ändern die Zuordnung von Sachen oder Rechten zu Personen.

Im Alltag kann es sein, dass die Unterscheidung nicht immer spürbar ist. Wenn Sie einen Fall in der Klausur vor sich liegen haben, müssen Sie jedoch peinlich darauf achten, dass beide – das schuldrechtliche und das dingliche Rechtsgeschäft – in ihrem Bestand und in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig, also abstrakt sind.

Ein Beispiel:

Ihr geschäftsfähiger Betreuter Alfred Kuhn kauft mit seinem Taschengeld einen „Coffee-to-go“ und zahlt 1,00 € an die Verkäuferin Inge Vehring, die ihm den Kaffee übergibt. Zerlegen Sie diesen alltäglichen Vorgang nach dem Abstraktionsprinzip, sieht das Ganze wie folgt aus:

  • Am Anfang stehen sich Ihr Betreuter, Herr Kuhn und die Verkäuferin Vehring gegenüber. Sie kennen sich nicht. Vehring ist Eigentümerin des „Coffee-to-go“, Ihr Betreuter ist Eigentümer von 1,00 €.
  • Durch das Angebot der Verkäuferin und die Annahme Ihres Betreuten haben die beiden einen Kaufvertrag über den „Coffee-to-go“ geschlossen.
  • Der Kaufvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag und verpflichtet Verkäuferin Vehring zur Übereignung und Übergabe des Kaffees an Herrn Kuhn (siehe § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Außerdem verpflichtet der Vertrag den Betreuten Alfred Kuhn zur Übereignung von 1,00 € an die Verkäuferin Vehring, also die Kaufpreiszahlung (vgl. § 433 Abs. 2 BGB). Der Kaufvertrag schafft somit lediglich rechtliche Beziehungen zwischen Vehring und Kuhn. An der Zuordnung des Eigentums, dem „Coffee-to-go“, ändert er nichts.
  • Nun einigen sich Frau Vehring und Herr Kuhn (stillschweigend) über den Eigentumsübergang, und Frau Vehring übergibt Herrn Kuhn den Kaffee (siehe § 929 Satz 1 BGB). Durch dieses dingliche Rechtsgeschäft ist Ihr Betreuter Eigentümer des Kaffees geworden. Zugleich hat Vehring ihre Verpflichtung erfüllt, ihre Schuld ist erloschen (siehe § 362 BGB).
  • Mit der Annahme des 1,00 € durch Frau Vehring ist auch hinsichtlich des Geldes der Tatbestand des § 929 Satz 1 BGB erfüllt. Jetzt ist Frau Vehring Eigentümerin von 1,00 € geworden. Die Schuld Ihres Betreuten Herrn Kuhn aus §§ 433 Abs. 2 BGB ist erloschen, § 362 Abs. 1 BGB. Im Ergebnis hat sich die Zuordnung des Eigentums an dem „Coffee-to-go“ umgekehrt, ebenso die Zuordnung von 1,00 €.

Welchen Sinn hat eine solche Aufteilung?

Wichtig zu berücksichtigen, gerade bei den Einsendeklausuren, ist, dass die Unwirksamkeit des Kaufvertrages bzw. generell des schuldrechtlichen Geschäfts in der Regel keine Bedeutung für das dingliche Rechtsgeschäft hat, das in Erfüllung des für wirksam gehaltenen Verpflichtungsgeschäfts vorgenommen wird. Wenn also der Betreute Kuhn geschäftsunfähig wäre und der Kaufvertrag demnach nichtig nach § 105 Abs. 1 BGB, so würde diese Tatsache grundsätzlich nichts an der Wirksamkeit der Übereignung des Kaffees an Ihren Betreuten ändern. Entscheidend für die Frage, ob Ihr Betreuter Eigentümer des Kaffees geworden ist, ist allein, ob die Voraussetzungen von § 929 Satz 1 BGB erfüllt sind. Auch wenn keine Geschäftsunfähigkeit besteht, aber ein anderer Fehler des Verpflichtungsgeschäfts wie z.B. Formnichtigkeit vorliegt, berührt dieser grundsätzlich nicht das dingliche Rechtsgeschäft.

Achtung: Schreiben Sie nie in einer Klausur, dass das Eigentum an der gekauften Sache durch den Kaufvertrag übergegangen ist, denn dies wäre eine krasse Verletzung des Abstraktionsprinzips. Sie können bei der Fallbearbeitung nur zu einer erfolgreichen Lösung gelangen, wenn Sie die einzelnen Rechtsgeschäfte streng voneinander trennen.

Mehr zum Abstraktionsprinzip sowie weitere Hilfen für die Klausur lesen Sie im Leitfaden von Corinna Hell, den Sie als Teilnehmer hier exklusiv erhalten!

20. Juli 2014 | Kategorie: Allgemein |