Bei Selbstgefährdung kann das Betreuungsgericht die Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB genehmigen. Die entsprechenden Voraussetzungen können gegeben sein, wenn eine Unterbringung zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist, weil aufgrund seiner Erkrankung die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblicher gesundheitlicher Schaden für ihn entsteht. Allerdings kann eine Gefahr für Leib oder Leben bereits bei völliger Verwahrlosung vorliegen.
Nach §1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine Unterbringung zulässig, wenn zum Wohl des Betroffenen und zur Abwendung eines erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Heilbehandlung ohne die Unterbringung nicht durchgeführt werden kann. Dabei kann der Betroffene die Notwendigkeit der Unterbringung aufgrund seiner Erkrankung nicht erkennen oder entsprechend dieser Einsicht handeln.
Bei der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB ist jedoch stets zu beachten, dass eine freie Willensbestimmung des Betroffenen ohne seine Krankheitseinsicht nicht möglich ist.
Der Fall: Der Betroffene leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Zusätzlich hat er ein Abhängigkeitssyndrom mit Suchtmittelmissbrauch. Seit 2003 besteht für ihn eine rechtliche Betreuung unter anderem mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung. Das Amtsgericht hatte die Unterbringung des Betroffenen auf Antrag seines Betreuers genehmigt. Hiergegen richtete sich seine Beschwerde mit dem Ziel, ein weiteres Sachverständigengutachten einholen zu lassen. Das Landgericht (LG) wies die Beschwerde zurück, daraufhin legte der Betroffene Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein und begehrte zumindest die Feststellung, dass er durch die beiden gerichtlichen Entscheidungen in seinen Rechten verletzt worden sei. Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
Beschluss des BGH vom 13.04.2016 – Az. XII ZB 236/15
Soweit das LG die Genehmigung der Unterbringung sowohl auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch auf Nr. 2 BGB gestützt hatte, sah der BGH dies als zutreffend an. Denn es fehle vor allem an einem der Unterbringung entgegenstehenden freien Willen des Betroffenen.
Die Unterbringung wegen einer möglichen Selbstgefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Der Betroffene würde ohne die Unterbringung bereits nach kurzer Zeit seine Medikamente nicht mehr einnehmen, Drogen konsumieren und auf der Straße verwahrlosen. Das LG gehe richtigerweise davon aus, dass der Betroffene ohne Unterbringung und ohne Medikation bei zu erwartendem Drogenkonsum wieder psychotisch dekompensiere. Deshalb hätte das LG eine mögliche Selbstgefährdung hinreichend konkret festgestellt.
Soweit der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde kritisiere, dass das LG keine Feststellungen zum freien Willen getroffen habe, führte dies nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.
Dem Betroffenen fehlt die Krankheitseinsicht, dies nicht nur jetzt, sondern zu keiner Zeit in den vergangenen 15 Jahren. Eine fehlende Krankheitseinsicht schließe aber ̶ so der BGH ̶ eine freie Willensbestimmung mit Blick auf die Unterbringung grundsätzlich aus!
Ebenso sind die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB wegen der Notwendigkeit einer Heilbehandlung vom LG vertretbar bejaht worden.
Es sei eine Besserung des Zustands festzustellen, der Betroffene sei therapierbar. Da sich die Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, noch nicht manifestiert habe und er jetzt seine Medikamente freiwillig nehmen würde, sei eine Genehmigung der Unterbringung möglich. Anders wäre es, wenn der Betroffene sich überhaupt nicht behandeln lassen wolle, dann müssten die Voraussetzungen der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme geprüft werden.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis
Wenn Ihr Betreuter völlig zu verwahrlosen droht, so dass eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung besteht, können die Voraussetzungen des Antrags auf Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorliegen. Dies gilt auch, wenn Drogen konsumiert werden oder eine Verweigerung der Medikation vorliegt. Bei einer Genehmigung der Unterbringung zur Heilbehandlung kann die aktuelle Situation zum Zeitpunkt der gerichtlichen letzten Entscheidung maßgeblich sein. Sowohl im Rahmen der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 als auch Nr. 2 BGB ist eine freie Willensbestimmung des Betroffenen ohne seine Krankheitseinsicht nicht möglich.