Rückforderung überzahlter Betreuervergütung: Wann Sie der Vertrauensgrundsatz schützt

Der Vertrauensgrundsatz kann der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung entgegenstehen

 

Der Fall: Die Betreuerin wurde vom Amtsgericht am 26.02.2016 zur Berufsbetreuerin des Betroffenen bestellt. Die Betreuung ist mit Beschluss vom 06.03.2018 aufgehoben worden. Die Betreuerin hatte für die Zeit vom 26.02.2016 bis insgesamt 26.08.2017 die Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44,00 € geltend gemacht. Der Bezirksrevisor hatte beantragt, die Vergütung der Betreuerin für die Zeit vom 26.02.2016 bis 26.02.2017 unter Zugrundelegung des niedrigeren Stundensatz von 33,50 € festzusetzen und den überzahlten Betrag von 708,75 € wieder einzuziehen. Das Amtsgericht hatte für die Zeit vom 27.02. bis 26.08.2017 dem Antrag nach dem Stundensatz von 33,50 € entsprochen.

Die Betreuerin legte Beschwerde ein, die zu einer teilweisen Erhöhung der Vergütung führte. Mit der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) nun begehrt die Betreuerin die Festsetzung der Vergütung in Höhe von 44,00 €.

Die Entscheidung des BGH vom 13.11.2019, Az. XII ZB 106/19

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Der BGH folgte dem Landgericht Aachen, dass für die Tätigkeit der Betreuerin nicht der erhöhte Stundensatz von 44,00 € sondern nur der niedrigere von 33,50 € anzunehmen war:

Der Stundensatz des Berufsbetreuers beträgt 44,00 €, wenn der Betreuer über besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare andere Ausbildung erworben worden sind.

Um die Vergleichbarkeit mit einer Hochschulausbildung anzunehmen, muss die Ausbildung in ihrer Wertigkeit einer Hochschulausbildung entsprechen und einen formalen Abschluss aufweisen.

Der BGH nannte u.a. folgende Kriterien:

  • Gleichwertig ist die Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest anerkannt ist
  • und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschulstudiums entspricht.

Maßgeblich sind insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, Umfang und Inhalt des Lehrstoffs und die Zulassungsvoraussetzungen hierfür. Ein Indiz kann es auch sein, wenn die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation Zugang zu beruflichen Tätigkeiten ermöglicht, deren Ausübung üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten ist.

Jedoch hat der Tatrichter bei der Prüfung der Vergleichbarkeit strenge Maßstäbe anzulegen. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist die wertende Betrachtung der früheren Instanz – des Tatrichters – nur eingeschränkt möglich. Zu prüfen ist, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat.

Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Landgerichts Aachen vom 20.02.2019 stand. Die von der Betreuerin absolvierten berufsbegleitenden Weiterbildungen genügen nicht den Anforderungen des § 4  Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG.

Vorliegend hatte die Betreuerin berufsbegleitend über vier Semester eine Weiterbildung zur Bankfachwirtin absolviert. Diese Maßnahme umfasste 345 Unterrichtsstunden und einen danach belegten Aufbaustudiengang über zwei Semester mit 224 Unterrichtsstunden. Der zeitliche Umfang sei – so der BGH – mit einem Hochschulstudium nicht ansatzweise vergleichbar.

Deshalb kam es nicht auf weitere Argumente an, weil der zeitliche Umfang der Fortbildung so weit hinter dem einer Hochschulausbildung zurück blieb, dass etwaige für die Betreuung aufgrund der Fortbildung zur Bankbetriebswirtin nutzbare Kenntnisse unerheblich waren. Das Landgericht hatte zutreffend – so der BGH – ein schützenswertes Vertrauen der Betreuerin nur bezüglich der in 2016 ausgezahlten Vergütung angenommen.

Grundsätzlich gilt, dass das Gericht im Festsetzungsverfahren nach § 292 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG an eine Festsetzung und Auszahlung der Betreuervergütung im vorangegangen vereinfachten Justizverwaltungsverfahren nicht gebunden ist. Dies gilt, wenn sich das gerichtliche Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung an die Festsetzung durch den Kostenbeamten des Gerichts anschließt.

Allerdings kann einer Neufestsetzung der Betreuervergütung, die eine Rückforderung überzahlter Beträge zur Folge hätte, im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen. Maßgeblich ist, dass das Vertrauen des Betreuers auf die ihm zuvor rechtswidrig gewährte Vergütung schutzwürdig ist. Abzuwägen ist einerseits der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf Rückforderung überzahlter Betreuervergütung und andererseits das Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage. Das Gericht hat zu prüfen, ob dem Vertrauen gegenüber der Rückforderung der Vorrang einzuräumen ist.

Ferner kann nach § 20 Abs. 1 GNotKG das Kosteninteresse der Staatskasse nachrangig sein. Wichtig ist, dass die Rückforderung von der zuständigen Stelle nicht innerhalb angemessener Frist verfolgt wurde und sich das Gegenüber auf die getroffene Regelung gutgläubig eingerichtet hat. Diese Kriterien sind bei der Beurteilung des schutzwürdigen Vertrauens des Betreuers in die Beständigkeit seiner Vermögenslage zu berücksichtigen.

So würde es der Stellung eines berufsmäßigen Betreuers nicht gerecht und entspräche auch nicht den Intentionen des Gesetzgebers, auf Jahre eine rückwirkende erhebliche Rechtsunsicherheit des Betreuers zur Beständigkeit der Vermögenslage herbeizuführen.

Vorliegend galt folgendes:

Ein schutzwürdiges Vertrauen der Betreuerin war nur bezüglich der in 2016 ausbezahlten Vergütung anzunehmen. Dies entspricht der zeitlichen Grenze des § 20 Abs. 1 GNotKG, wonach zu niedrig festgesetzte Kosten nur nachgefordert werden dürfen, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahrs nach Absendung der den Rechtszug abschließenden gerichtlichen Kostenrechnung mitgeteilt worden ist.

Eine Ausnahme würde nur gelten, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob fahrlässigen Falschangaben des Zahlungspflichtigen beruht oder wenn der ursprüngliche Kostenansatz unter Vorbehalt erfolgt ist.

Wenn der Erstattungsanspruch also innerhalb dieses Zeitrahmens geltend gemacht wird, stehen Vertrauensschutzgesichtspunkte einer Rückforderung nicht entgegen. Rückforderungen außerhalb dieses Zeitrahmens führen zu einem schutzwürdigen Vertrauen des Betreuers in den Bestand der eigenen Zahlungen.

Die Betreuerin hatte sich noch auf eine fernmündliche Auskunft eines Rechtspflegers berufen, dass der höchste Vergütungssatz aufgrund ihrer Ausbildung nicht gefährdet sei. Diese erachtete der BGH nicht als maßgeblich:

Das Vertrauen in die mündliche Auskunft sei nicht schutzwürdig, wenn die Betreuerin jederzeit damit rechnen musste, dass die im Verwaltungsverfahren zugesprochene Vergütung im Fall eines gerichtlichen Festsetzungsverfahrens korrigiert würde.

Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis

Wenn Sie sich für die Geltendmachung des Stundensatzes von 44,00 € auf eine Fortbildung berufen wollen, so ist ein wesentliches Kriterium für den Anspruch auf den erhöhten Stundensatz von 44,00 € der zeitliche Umfang der Weiterbildung. Die Staatskasse kann Rückforderungen erheben, denen im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen kann.

Für die rückwirkende Geltendmachung ist eine Abwägung des Vertrauens des Betreuers in die u. U. verbrauchten Zahlungen mit dem Recht der Staatskasse auf Rückforderung maßgeblich. Die zeitlichen Grenzen für die Rückforderung richten sich nach der Wertung des § 20 Abs. 1 GNotKG.

17. Januar 2020 | Kategorie: Corinna Hell, Urteile |