Auf Anregung der Tochter wurde im Juli 2017 ein Verfahren zur Betreuerbestellung eingeleitet. In diesem Verfahren sind zugunsten der Tochter bzw. des Sohnes erteilte Vorsorgevollmachten aus dem Jahr 2017 vorgelegt worden. Das Amtsgericht bestellte dennoch eine Berufsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Kontrolle der Ausübung der Vorsorgevollmacht. Ferner wurde ein Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts und die Bestellung der Berufsbetreuerin legte der Betroffene Beschwerde ein. Daraufhin hob zwar das Landgericht die Betreuung bezüglich des Aufgabenkreises „Kontrolle der Ausübung der Vorsorgevollmacht“ auf, wies aber im Übrigen das Rechtsmittel zurück. Gegen diesen Beschluss des Landgerichts legte der Betroffene Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) ein.
Der Beschluss des BGH vom 15.08.2018, Az. XII ZB 10/18
Der BGH entschied, dass die Rechtsbeschwerde begründet ist. Der Beschluss des Landgerichts wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Denn die Entscheidung des Landgerichts hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil der BGH diese wesentlichen Mängel monierte:
Ein Betreuer soll nur bestellt werden, wenn die Betreuerbestellung erforderlich ist, § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB. Wenn die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden können − § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, kann und muss die Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers entgegenstehen.
Eine Vorsorgevollmacht ist grundsätzlich vorrangig vor der Bestellung eines Betreuers.
Wenn die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden kann, ist von einer wirksamen Bevollmächtigung auszugehen.
Schließlich gab der BGH noch Hinweise, wann trotz Vorsorgevollmacht eine Betreuung erforderlich sein kann:
Vorliegend waren zu diesen Fragen die bisherigen Feststellungen des Landgerichts unzureichend. Insbesondere hatte das Landgericht weder die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung noch die Eignung des Bevollmächtigten geprüft.
Schließlich lagen die Voraussetzungen für einen Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögenssorge aufgrund der bisherigen Angaben des Amtsgerichts nicht vor.
Feststellungen zu einer konkreten Gefahr für das Vermögen des Betroffenen ergaben sich aus dem amtsgerichtlichen Beschluss nicht. Das Landgericht hatte sich mit dieser Frage nicht ausreichend befasst.
Weiter rügte der BGH, dass das Landgericht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen hatte.
Grundsätzlich muss das Beschwerdegericht den Betroffenen nicht erneut anhören, insbesondere dann nicht, wenn die erstinstanzliche Anhörung nur kurze Zeit zurückliegt. Wenn allerdings das Landgericht für seine Entscheidung eine neue Tatsachengrundlage heranzieht, die nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datiert, gebietet dies eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen.
Neue tatsächliche Informationen ergaben sich aus einem Gutachten des MDK und dem neuropsychologischen Untersuchungsbericht des Klinikums sowie der Stellungnahme des Verfahrenspflegers.
Im Übrigen wurde aber auch dem Betroffenen anlässlich seiner Anhörung durch das Amtsgericht das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Termin überlassen. Das Sachverständigengutachten hätte aber nur verwertet werden können, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hätte. So muss das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut dem Betroffenen persönlich zur Verfügung gestellt werden. Davon kann nur nach § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden, wenn der Betroffene durch die Bekanntgabe des Gutachtens Gesundheitsnachteile erleiden würde. Dies war jedoch nicht erkennbar.
Aus den genannten Gründen wurde die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben. Da jedoch weitere tatsächliche Feststellungen notwendig waren, erfolgte eine Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landgerichts.
Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis
Eine Vorsorgevollmacht ist vorrangig vor der Bestellung eines Betreuers. Wenn die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden kann, ist von einer wirksamen Bevollmächtigung grundsätzlich auszugehen.