Welche Änderungen die Reform des Betreuungsrechts für Berufsbetreuer bringt

Topthema auf den Berufsbetreuertagen 2020

Mit der geplanten Reform des Betreuungsrechts kommen auf rechtliche Betreuer voraussichtlich noch in diesem Jahr zahlreiche Änderungen zu. Die Teilnehmer der Berufsbetreuertage 2020 der BeckAkademie Fernkurse erhielten von Rechtsanwalt und Fachanwalt Martin Weber einen Überblick, auf welche neuen Anforderungen sie sich einstellen müssen.

Der langjährige Dozent der BeckAkademie Fernkurse informierte ausführlich über Kernvorhaben, Ziele und Ausgestaltung der Betreuungsrechtreform – und diskutierte die möglichen Folgen für die berufliche Betreuungspraxis. Die wichtigsten Punkte des Vortrags von Martin Weber haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengefasst.

Ziel der Reform ist die qualitative Verbesserung der rechtlichen Betreuung

Im Koalitionsvertrag vom 12.03.2018 vereinbarten die Regierungsparteien, das seit 1992 unverändert geltende Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) zu reformieren. Ziel ist eine langfristige Verbesserung und Sicherung der Qualität in der rechtlichen Betreuung.

Das Vorhaben basiert zum einen auf Art. 12 Abs. 3 UN-Behindertenrechtskonvention:

„Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie zur Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfreiheit gegebenenfalls benötigen.“

Zum anderen stützt es sich auf eine breite wissenschaftliche Basis verschiedener Studien und Forschungsvorhaben. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) will die Reformen noch in der laufenden Legislaturperiode auf den Weg bringen.

Welche Reformvorhaben sollen umgesetzt werden?

Der Focus liegt auf drei Kernvorhaben, die durch konkrete gesetzgeberische bzw. ministerielle Initiativen umgesetzt werden sollen.

  • Anpassung der Betreuervergütung: Bereits umgesetzt wurde die Erhöhung der Betreuervergütung mit dem Gesetz zur „Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung“, das am 27. Juli 2019 in Kraft getreten ist.
  • Modifikation des Vormundschaftsrechts: Wesentliche Änderungsvorschläge betreffen die Neuregelung von Trennungs- und Verwendungsverbot, die Abschaffung des Gegenbetreuers, die obligatorische jährliche Rechnungslegung sowie die klare Trennung zwischen Verfügungs- und Anlagegeld. Es wird mit dem Inkrafttreten noch in 2020 gerechnet.
  • Verbesserung des Betreuungsrechts: Die dritte Säule der Reform ist die geforderte strukturelle Verbesserung des Betreuungsrechts. Zentrale Ziele sind die Stärkung der Autonomie der betroffenen Person sowie die Verbesserung der Qualität der Betreuung insgesamt.

In den interdisziplinären Diskussionsprozess waren alle relevanten Akteure eingebunden

Im Juni 2018 initiierte das BMJV unter dem Titel „Selbstbestimmung und Qualität im Betreuungsrecht“ einen interdisziplinären Diskussionsprozess. Daran waren alle relevanten Akteure des betreuungsrechtlichen Spektrums, u.a. Vertreter aus Wissenschaft und Praxis sowie Vertreter/Innen von Behindertenverbänden, Berufs- und weiteren, im Betreuungswesen tätigen Verbänden, des Betreuungsgerichtstages e. V., kommunalen Spitzenverbänden und den Ländern, eingebunden. Vier Fach-Arbeitsgruppen befassten sich mit Detailfragen eines zu erarbeitenden Gesetzentwurfs.

In zwei sogenannten Stellvertreter-Workshops konnten betreute Personen ihre Erfahrungen mit der rechtlichen Betreuung und Erwartungen an eine Reform artikulieren.

 

Welche wesentlichen Vorschläge erarbeiteten die Facharbeitsgruppen?

Arbeitsgruppe 1: Stärkung des Selbstbestimmungsrechts

Der besondere Fokus lag auf der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts mit folgenden drei Hauptdiskussionsfeldern:

-> Selbstbestimmung bei der Bestellung und Auswahl des Betreuers

Ansatzpunkte wurden u.a. in diesen Maßnahmen gesehen:

  • Verbesserung der Information der betroffenen Person
  • Pflicht zur Bestellung eines Verfahrenspflegers bei Verfahren über die Bestellung eines Betreuers gegen den natürlichen Willen der betroffenen Person
  • Deutlichere Regelung des Vorrangs von Wunsch und Wille
  • Kennlern-Gespräch zwischen potenziellem Betreuer und betroffener Person
  • Abschaffung der „Betreuung in allen Angelegenheiten“
  • Streichung der Worte „geistig, körperlich und seelisch“ in § 1896 Abs. 1 BGB, Anknüpfung an Krankheit oder Behinderung

-> Betreuung als Unterstützung bei der Selbstbestimmung Betroffener

Um die Selbstbestimmung effektiv verwirklichen zu können, ist vorgesehen, die Pflicht zur Abfassung eines Anfangsbericht zu den individuellen Betreuungszielen ins Gesetz aufzunehmen, an dem die Betreuung zu messen ist. Herzstück der Änderung ist die grundlegende Änderung der §§ 1901, 1902 BGB. Dabei soll – den Anforderungen des Art. 12 UN-BRK folgend – der Vorrang des Willens, der Präferenzen und Wünsche deutlicher zum Ausdruck gebracht werden

-> Aufsicht und Kontrolle durch die Betreuungsgerichte

Hier wurde gefordert, gesetzlich an zentraler Stelle zu betonen, dass Wunsch und Wille der betroffenen Person im Rahmen der Kontrolle und Aufsicht letztlich leitend sein müssen.

Weiter sollen Berichtspflichten für die Betreuer eingeführt werden, in die auch die betroffene Person involviert wird. Diskutiert wurde auch ein „niedrigschwelliges“ Beschwerdemanagement, um Konflikte und Probleme zwischen der betroffenen Person und dem Betreuer außerhalb eines Verfahrens diskutieren und beheben zu können.

Arbeitsgruppe 2 – Berufsbetreuung

Der zweite Facharbeitskreis befasste sich mit Fragen der Qualifikation und Zulassungsverfahren in der Berufsbetreuung. Die Berufsmäßigkeit sollte zukünftig nicht durch Fallzahlen bedingt werden, sondern an eine fachlich-persönliche Mindestqualifikation gekoppelt werden.

Wie diese Mindestqualifikation von rechtlichen Betreuern ausgestaltet und im Einzelfall geprüft werden soll, ist noch offen. Denkbar erscheint es, die Zulassung zum Betreuer an einen konkreten Berufsabschluss, einschlägige Berufserfahrung, konkret-individuelle Ausbildungsinhalte oder Zusatzqualifikationen zu koppeln. Auch eine regelmäßige Vorlage eines Führungszeugnisses und Auskünfte aus dem Schuldnerverzeichnis sind im Gespräch.

Vom Facharbeitskreis grundsätzlich begrüßt wurde die Idee der Schaffung eines bundeseinheitlichen Zulassungsverfahrens für Berufsbetreuer. In diesem Rahmen sollen auch die erfolgte Zulassung, aktuelle Fallzahlen oder besondere Kenntnisse und Qualifikationen in einem bundesweiten Betreuerregister erfasst werden.

Anvisiert wird eine mit der Zulassung verknüpfte Eingruppierung in eine Vergütungsstufe. Einverständnis bestand darüber, dass eine Bereitschaft zur Fortbildung in regelmäßigen Abständen zu fordern sei.

 

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Die Auswahl des Berufsbetreuers soll wie bisher im individuellen Fall die Aufgabe des Gerichts – sprich des Richters/Rechtspflegers – bleiben. Um das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu stärken, soll jedoch dessen Wunsch bei der Auswahl stärker berücksichtigt werden. Diskutiert wurde auch, die Betreuungsbehörde stärker in die Auswahl einzubinden. Neu ist der Vorschlag, dass die Betreuungsbehörde dem Gericht zwei oder drei konkrete Bestellungsvorschläge zur Auswahl zu unterbreiten habe. Wie dies in der Praxis realisiert werden kann, ist bisher noch offen.

Arbeitsgruppe 3: Ehrenamtliche Betreuung und Betreuungsvereine

Die Diskussion des dritten Facharbeitskreises konzentrierte sich auf Qualitätsverbesserungen sowie die Erhöhung der Attraktivität des Ehrenamts. Thematisiert wurden ebenfalls Aspekte des Ehegattenvertretungsrechts in medizinischen Fragen sowie Fragen der Vorsorgevollmacht Thema. Hier wünscht man sich u.a. einer Verbesserung der Beratung, um eine erhöhte Sensibilität für Missbrauchsrisiken zu erzeugen.

Im Bereich der Betreuungsvereine lag der Fokus auf der gesetzlichen Fixierung von Aufgaben und Kompetenzen, insbesondere im Bereich der Finanzierung und Förderung. Klargestellt werden soll, dass die Betreuungsvereine auch umfänglich ihnen übertragene öffentliche Aufgaben übernehmen. Überwiegend befürwortet wurde die Aufhebung des Vergütungsverbots von Betreuungsvereinen.

Arbeitsgruppe 4: Betreuung und andere Hilfen

Im Fokus der Betrachtung standen die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zum Erforderlichkeitsgrundsatzes. Hier wurde betont, dass andere Hilfen im Sinne der Selbstbestimmung und Autonomie von äußerster Relevanz sind, aber nicht hinreichend genutzt werden. Im Fokus standen folgende Aspekte: Pflicht zur Zusammenarbeit und Kooperation, eine Regelung zum Nachrangverhältnis der Betreuung im SGB I sowie die Unterstützung Betroffener bei der Geltendmachung sozialer Rechte.

Rechtsanwalt Martin Weber zog zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppen folgendes Fazit:

Berufsbetreuer müssen im Rahmen der Betreuungsrechtsreform mit einigen Änderungen rechnen. Diese sollen insbesondere die Autonomie der betroffenen Person stärken. Vier Facharbeitsgruppen erarbeiteten zahlreiche Vorschläge. Es ist noch offen, welche Punkte tatsächlich im Gesetzentwurf berücksichtigt werden. Aktuell liegt noch kein Gesetzentwurf vor. Eine Umsetzung in 2020 ist jedoch wahrscheinlich.

07. Februar 2020 | Kategorie: Aktuelles, Berufsbetreuertage |